Das Spiel mit der Angst – Populismus in der Hundehalterwelt
Bei der Beurteilung von Hundeverhalten sollte man es
vermeiden, pauschal zu urteilen oder zu bewerten. Wenn ein Hund Menschen oder Artgenossen
gegenüber z. B. gesteigerte Aggressionen zeigt, kann das sehr viele
unterschiedliche Ursachen haben. Schmerzhafte Vorgänge im Körper können ihn
reizbarer machen, er kann berührungsempfindlicher werden. Werden seine
Schmerzen und Warnsignale ignoriert, kann er ggf. „Maßnahmen“ ergreifen, um in
Ruhe gelassen zu werden. Hunde können hormonelle Probleme haben, die dieses
Verhalten hervorrufen oder es kann als Nebenwirkung durch Medikamente verursacht
werden. Weiter kommen z. B. aggressive Ausbildungsmethoden infrage, die mit
Schmerz oder Frustration verbunden sind, was ähnliche Folgen und Auswirkungen
auf das Verhalten haben kann, wie Krankheiten. Es gibt auch Hunde, die durch
Traumata egal welcher Art verängstigt sind und in gesteigerter Aggression eine
Strategie entwickelt haben, ihren Ängsten zu begegnen. Es kann natürlich auch
sein, dass ein Hund gelernt hat, dass er ein Ziel durch forsches Auftreten eher
erreicht, als wenn er immer „kuscht“. Wobei das nach meiner persönlichen
Erfahrung weit seltener vorkommt, als man allgemein glaubt. Hunde sind als ehemalige
Raubtiere, für die der Erhalt der Gesundheit existentiell wichtig ist, eher auf
Konfliktvermeidung aus. Was Lerneffekte in die Richtung stark beeinflusst.
Viele mögliche Gründe für Verhalten
Es gibt also viele Möglichkeiten, warum ein Hund ein
bestimmtes Verhalten zeigt. Zum übersteigerten Aggressionsverhalten habe ich
einige Beispiele aufgeführt, aber längst nicht alle Möglichkeiten. Die Beispiele
sollten aber ausreichen um aufzuzeigen, dass man für ein Verhalten keinen
pauschalen Grund nennen sollte.
Pauschale Aussage über Hunde in Tierheimen
Genau das wird aber im Zusammenhang mit dem Hundeverhalten
sehr häufig gemacht. Zum Beispiel habe ich mich schon im Januar darüber
aufgeregt und auch dazu geäußert, dass im Bezug auf Tierheimhunde und
Aggressionen eine pauschale Behauptung aufgestellt wurde. Dort wurde sinngemäß
postuliert, dass Hunde, die mit Aggressionsproblemen im Tierheim abgegeben
werden, durch zu wenig Führungsqualitäten der Besitzer dort landen würden. Dass
den Hunden keine Grenzen aufgezeigt würden usw. - pauschal behauptet. Ohne
jegliche Form von seriöser Statistik unterlegt. Wie sollte das auch gehen? Wenn
ein Hundehalter einen übersteigert aggressiven Hund abgebt – will man ihn dann
befragen, ob er nicht genügend Führungsqualitäten hatte? Oder ob er regelmäßig
Tierärzte oder Physiotherapeuten mit seinem Hund aufgesucht hat? Ob er der
Aggression in allen Facetten auf den Grund gegangen ist oder es auch nur
wollte? Das wird natürlich schwer. Zuverlässige, differenzierte und
wahrheitsgemäße Daten über die Gründe einer Hundeabgabe sind schwer zu
erfassen.
Keine Differenzierung
Trotzdem wird von Hundeexperten pauschal behauptet, dass
aggressive Hunde aufgrund schlechter Führungsqualitäten im Tierheim landen,
weil der Mensch sich nicht traut einen Konflikt mit seinem Hund auszutragen. Ungeachtet
dessen, dass die Aussagen zu Konflikten in der Hundeerziehung pauschal von humanpädagogischen
Ansätzen der Konfliktforschung geprägt sind, ohne Hunde und Menschen zu
differenzieren. Abgesehen davon muss man auch die klare Feststellung treffen,
dass man Hundeverhalten nicht so pauschal und undifferenziert nur auf diese
Führungsebene beschränken sollte. Und den Menschen eine Angst impliziert, durch
zu freundlichen Umgang mit dem Hund automatisch gefährliche Lebewesen zu
produzieren. Was, wie gesagt bei sachlicher Betrachtung (und unter Hinzuziehung
aller möglichen Faktoren für das Hundeverhalten) kompletter Unsinn ist.
Spiel mit der Angst der Hundehalter
Diese von Hundeexperten pauschal getätigten, faktisch nicht
gestützten Aussagen um dem Hundehalter Angst zu machen, begegnen einem leider
immer wieder. Über die Gründe kann man spekulieren. Mögliche Gründe wären, dass
solche Hundeexperten ihre Philosophien zu dem Thema vermarkten möchten. Oder
sie es einfach nicht besser wissen und sich innerhalb ihres Echoraumes nicht
trauen, selbstständig und weniger pauschal zu denken.
Ähnlichkeiten mit politischem Populismus
Dieses Spiel mit den Ängsten der Hundehalter erinnert mich leider
stark an politischen Populismus. Im Grunde ist das psychologisch gesehen auch
nichts anderes. Mit einfachen, pauschalen Botschaften mit den Emotionen der
Menschen spielen um eigene Vorteile daraus zu ziehen. Der Begriff Populismus
passt da in meinen Augen durchaus zu dem Pauschalgerede in der Hundeerziehung.
Nicht auf das Spiel einlassen
Hundehalter sollten sich nicht verängstigen lassen. Wenn man
immer eine gute Portion Skepsis behält und bereit ist, den Hund und sein
Verhalten in allen möglichen Facetten zu sehen, zu akzeptieren und zu
differenzieren, sollte man gegen den Hundeszenenpopulismus gewappnet sein. Und
die Fähigkeit Populismus nicht aufzusitzen kann im Leben hilfreich sein. Nicht
nur in der Hundehalterwelt…