Wasserpistole im Hundetraining?
Wenn Hunde gegenüber Artgenossen Aggressionen zeigen, kann
das viele Gründe haben. Wenn man den vielfältigen Gründen mit pauschalen
Techniken begegnet, ist eine Korrektur notwendig…
Hunde gehen fremden Artgenossen gern aus dem Weg
Hunde, die ohne große Vorgabe von Menschen leben – Hunde in
der so genannten „dritten Welt“, die noch recht ursprünglich sind, Straßenhunde
in Europa, die meist aus ausgesetzten Haushunden hervorgehen. Diese Hunde gehen
fremden Artgenossen meist aus dem Weg. Zwar gibt es Artgenossen, mit denen sie
in einem sehr lockeren Gruppenverhältnis leben können, sie können vertraute
Artgenossen in ihrem Umfeld tolerieren und sich ggf. auch mit ihnen anfreunden.
Aber fremden Artgenossen wird in der Regel einfach aus dem Weg gegangen.
Zwangsgesellschaften mit Problempotential
Jetzt kann es sein, dass Hunde aus unterschiedlichsten
Gründen mit fremden Artgenossen auf engem Raum leben müssen. Sei es, weil sie
aus Tierschutzgründen in Tierheime gelangen, irgendwo in Europa. Und Hunde, die
es draußen gewohnt waren, sich aus dem Weg zu gehen, plötzlich auf engem Raum
leben müssen. Oder, bei unbedarfter Mehrhundehaltung, wo Hunde manchmal auch
auf engstem Raum leben, ohne für die Psyche lebenswichtige Auszeiten
voneinander zu bekommen.
Schlechte Erfahrungen mit Artgenossen
Wenn Hunde also gezwungen sind, auf engstem Raum, ohne
Rückzugsmöglichkeiten und Auszeiten voneinander zu leben. Dann können sie diverse
Erfahrungen mit Artgenossen machen. Mobbing kommt dann gar nicht so selten vor.
Wenn hochentwickelte Lebewesen wie Hunde zu viel Zeit auf engem Raum mit
Artgenossen verbringen müssen, und das soziale Geplänkel die Hauptbeschäftigung
des Tages darstellt. Dann kommt es oft dazu, dass ein schwaches Individuum der
Zwangsgruppe gemobbt und geprügelt wird. Von der Gruppe. Das ist der
psychologische Effekt, dass diejenigen, die mobben, sich gut fühlen. Die Mobber
ein Zusammengehörigkeitsgefühl und ein Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Gemobbten
haben. Das kommt übrigens bei Menschen auch vor. Was heißt es kommt vor – es gehört
leider zur Verhaltensgrundausstattung von Menschen…
Ein gemobbter Hund, der so mit anderen zusammenleben muss, entwickelt
daher oft die Strategie, sich die anderen durch bellen, schnappen und beißen
vom Hals zu halten. Eine Überlebensstrategie, die nachvollziehbar ist.
Verteidigungsstrategie des Hundes
Hunde, die lange mit vielen Hunden auf engem Raum leben mussten,
sei es aus Tierschutzgründen oder fragwürdiger Mehrhundehaltung. Solche Hunde
haben nach meiner Erfahrung sehr häufig Probleme bei einfachen
Hundebegegnungen. Sie möchten sich andere Hunde vom Leib halten, ihnen aus dem
Weg gehen oder ihnen schon frühzeitig mitteilen, dass sie sich nicht annähern
sollen. Meist möchten andere Hunde dieser Aufforderung auch nachkommen. Aber
Menschen erkennen das vielfach nicht und schleifen die Hunde aufeinander zu. Eine
Eskalation ist vorprogrammiert…
Es gibt noch viele andere Gründe, außer der
Verteidigungsstrategie, warum Hunde andere Hunde nicht mögen, bei Begegnungen
unfreundlich reagieren. Wie gesagt, es kann ein erlernter Schutzmechanismus
sein, es können aber auch gesundheitliche Probleme vorliegen. Körperlicher Art,
dass der Hund aufdringlichen Kontakt mit anderen Hunden meiden möchte, weil er
bei Berührung Schmerz verspürt. Es können hormonelle Störungen vorliegen, die
den Hund leichter „aus der Haut fahren lassen“ etc.
Welche Ursachen hat das Problem?
Wenn also ein Hundehalter mit einem Hund, der Probleme mit
anderen Hunden hat, zu einem Hundetrainer kommt, muss dieser gründlich
hinterfragen und forschen, welche Hintergründe das Problem hat, oder haben
könnte. War der Hund vielleicht lange in einem ausländischen Tierheim in Gruppenhaltung,
könnte er ein Mobbingopfer sein, ggf. stark traumatisiert. Es könnten auch
gesundheitliche Probleme vorliegen usw.
Das machen aber leider nicht alle Hundetrainer. Viele gehen
sofort zu einem Training über. Und davon nicht wenige zu direkten „Korrekturen“.
Das hießt, wenn der Hund sich nicht so verhält, wie die Menschen das von ihm
verlangen, wird er sanktioniert. Ohne Rücksicht auf die Vorgeschichte, auf die
Ängste, die psychische Labilität, die möglichen Schmerzgründe etc.
Unnatürliche Konfrontation
Leider sieht man dann Bilder wie folgende: Hunde werden
miteinander konfrontiert, an der Leine aufeinander zu bewegt. Gegen ihren
Willen. Wie vorher erwähnt, könnten sie selbst entscheiden, würden die Hunde
dieser Konfrontation vermutlich aus dem Weg gehen. Die Hundeexperten schleifen
sie aber aufeinander zu – und, wenn der vermeintliche Problemhund die
Annäherung durch bellen und knurren unterbinden möchte, bekommt er die Leine
auf die Nase gehauen, wird in die Seite gezwickt oder gekickt. Oder ihm wird
irgendeine Plastikflasche ins Gesicht geschlagen. Oder, oder – die „Korrekturen“
und die Korrigierer sind fantasievoll, wenn es darum geht, Hunden unangenehme
Dinge anzutun.
Korrigieren ohne zu hinterfragen
Für mich sind diese Korrekturen, gerade bei Hunden, bei
denen man überhaupt nicht die Hintergründe ihres Verhaltens kennt oder
hinterfragt, sehr – milde ausgedrückt – fragwürdig. Klar, ggf. kann man das
Verhalten dadurch unterbinden. Aber was geht in dem Hund vor? Wie muss er sich
fühlen? Er möchte sich Hunde vom Hals halten, hat dafür in seinem Vorleben
Strategien entwickelt. Die ihm nicht weiterhelfen, wenn der Mensch ihn an die
Leine nimmt. Sein Frust, seine Furcht und seine Wut auf andere Hunde werden
dadurch nicht weniger, wenn er eine Sanktion zu befürchten hat, wenn er anderen
Hunden begegnet. Im Gegenteil, seine schlechte „Meinung“ von Hunden vertieft
sich dadurch ja nur. Diese Korrekturen erweisen sich daher im Nachhinein nicht
selten als Rohrkrepierer, gehen bisweilen auch nach hinten los. Auf jeden Fall
lassen sie für den Hund in den vorher beschriebenen Fällen immer eine
emotionale Welt untergehen. Keine Strategie hilft ihnen im Leben – und seinem
Besitzer kann er auch nicht vertrauen…
Korrektur des Korrigierers
Ich rate daher Hundebesitzern, wenn sie eine Hundeschule
besuchen, immer zu folgender Strategie: Falls Ihnen ein Experte bei Ihrem
unsicheren Hund, der sich mit bellen und knurren andere Hunde vom Leib halten
möchte, eine Korrektur mittels Leineschlagen, Kicken oder anderen Dingen
vorschlägt. Dann ziehen Sie eine Wasserpistole (die Sie prophylaktisch bei
jedem Hundeschulbesuch mitführen sollten – nicht für den Hund allerdings) und
korrigieren Sie den Trainer, indem Sie das Wasser mitten in sein Gesicht „abfeuern“.
Genaues Timing ist wichtig
Wichtig ist da allerdings das Timing. Wenden Sie diese
Korrektur beim Hundetrainer an, bevor er Ihren Hund „korrigieren“ konnte. Zwar
wird Sie die entsprechende Dogdomina oder der Resterampenmacho des Platzes
verweisen. Falls sie oder er das nicht macht, sollten Sie den Platz freiwillig
verlassen. Im Interesse Ihres Hundes.
Suchen Sie sich lieber jemanden, der die Geschichte Ihres
Hundes hinterfragt und weiß, wie man Ihrem Hund in den Problemsituationen ein
alternatives Verhalten beibringt, welches ihm Spaß macht, gute Gefühle hervorruft
und nicht Ängste und Wut verstärkt. Damit Sie sich gut fühlen, weil Sie wissen,
dass sich Ihr Hund gut fühlt…