Von Urinsprühflaschen bis zu krabbelnden Spielaufforderungen – der Mensch spielt Hund
Irgendwie werden die Merkwürdigkeiten rund um Hunde immer
abstruser. Vor wenigen Jahren wurde uns erzählt, dass Hunde nicht dort
urinieren dürfen, wo sie es für richtig halten. Weil sie so einen
Machtanspruch ihrem Besitzer gegenüber geltend machen würden. Das ging so weit,
dass geraten wurde, man solle immer über den Urin des Hundes urinieren, um zu
demonstrieren, wer der wahre Boss ist. Da der Mensch aber nicht ständig auf
Kommando urinieren kann, wurde der weitere Rat gegeben, in eine Sprühflasche
auf Vorrat zu urinieren, um jederzeit die Hundemarkierung übermarkieren zu
können. So liefen dann nicht wenige Zeitgenossen umher und sprühten ihren in
Sprühflaschen gesammelten Urin über die flüssigen Hinterlassenschaften ihrer
Hunde…
Treibt Hunden nur
Fragezeichen in die Augen
Es hat sich nach einiger Zeit aber wohl herumgesprochen,
dass dieses (menschliche) Verhalten doch wohl als alberner Blödsinn verbucht
werden sollte. Was aber nicht heißt, dass Menschen sich nicht neue, sagen wir,
„Merkwürdigkeiten“ einfallen lassen, um Hunden die Fragezeichen in die Augen zu
treiben.
Menschliche
Spielaufforderung an alten Hund
So ging ich kürzlich mit meinem alten Hund Puzzel spazieren.
Spazieren ist bei seinen 17 Jahren ein etwas übertriebener Begriff – ich fahre
ihn ins Grüne, setze ihn dort ab und wir schlendern in seinem Tempo etwas durch
die Gegend. Soweit und so viel er möchte. Nun kam uns bei dieser seniorengerechten
Beschäftigung ein Hundehalter entgegen. Sein Hund rannte weit aus seinem
Einflussbereich irgendwo in der Feldflur herum, was Puzzel recht war – junge,
aktive Hunde nerven ihn, er kann einfach nicht mehr herumrennen und sich mit
rempelnden Jungspunden beschäftigen. Schnüffeln und guten Tag sagen ist okay,
aber bitte keine aufdringlichen Vierbeiner. In diesem Fall war der Vierbeiner
unserer Begegnung nicht das Problem. Der war weit weg.
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Das Problem war eher der
Besitzer. „Dein Hund schleicht aber durch die Gegend“, sagte er zu mir, „das
müssen wir ändern“. Noch bevor ich ihm antworten konnte und Puzzels Alter und
seine dem geschuldeten Vorlieben und Abneigungen erklären konnte, begab sich
der Mann auf alle Viere. Ja, sie lesen richtig. Er krabbelte auf allen Vieren
herum, schaute Puzzel dabei an. Dann drückte er seinen Vorderkörper auf den
Boden, während sein Hinterteil noch in die Luft ragte. Irgendwie wollte er eine
Vorderkörpertiefstellung von Hunden simulieren, die unter Hunden (!) eine Spielaufforderung
darstellt. Puzzel schaute den Mann fasziniert an. Ich übrigens auch, mit
offenem Mund. Dann schaute Puzzel mich an, und erkannte wohl, dass ich genauso
ratlos ob des Verhaltens des Mannes war, wie er. Puzzel ging an ihm vorbei und
schnüffelte am Boden. Was darauf hindeutete, dass er mit dem Verhalten nichts,
aber auch rein garnichts anfangen konnte. Das Schnüffeln hinter dem Mann war
wohl eine so genannte Übersprungshandlung, mit der er irgendetwas tat, weil er
nicht wusste, was er in Gegenwart des „irren“ Menschen tun sollte. Der auf
allen Vieren krabbelnd und den Hintern gen Himmel streckend auf dem Asphalt
herumrobbte.
„Komisches Verhalten von Deinem Hund“, sagte der Mann dann.
„Ganz viele Hunde reagieren mit Spielen, wenn ich sie so dazu auffordere“.
Spielverhalten von
Hunden kann deeskalierend wirken
Der Mann hatte recht. Viele Hunde reagieren mit
Spielverhalten auf menschliches, oder auch tierisches Verhalten, welches ihnen
komisch vorkommt. Hunde können es nicht einschätzen und verstehen, wenn fremde Menschen
plötzlich vor ihnen auf dem Boden rumkrabbeln. Das machen Menschen sonst nicht,
das ist kein normales menschliches Verhalten. Das verwirrt Hunde, kann ihnen
Angst machen. Vermutlich denken sie, der Mensch sei verrückt geworden, sei eine
potentielle Gefahr. Aber wie verhält man sich gegenüber plötzlich verrückt
gewordenen Menschen? Welche Strategie wendet man als Hund an, um aus der
Situation schadlos herauszukommen? Nun, es gibt Hunde, die versuchen in solchen
für sie schlecht einzuschätzenden Situationen mit dem Spielverhalten zu
demonstrieren, dass sie selbst keine bösen Absichten haben. Dass Spielverhalten
deeskalierend wirkt, haben sie von Welpenbeinen an mit ihren Geschwistern, Elterntieren
und auch mit anderen Hunden gelernt.
Er will nur spielen –
der Mensch
Wenn ein Mensch also plötzlich merkwürdig und bedrohlich vor
einem fremden Hund auf dem Boden herumkrabbelt, wollen viele Hunde mit dem
Spielverhalten die Situation einfach deeskalieren, ihre freundliche Absicht
mitteilen. Natürlich können sie lernen, wenn ihr Besitzer das oft macht, dass
vom Besitzer keine Gefahr ausgeht und er tatsächlich nur spielen möchte.
Grundsätzlich ist es für Hunde aber wohl eher verwirrend, wenn Menschen von
normalen menschlichen Verhaltensmustern abweichen, an die sich Hunde gewöhnt
und angepasst haben. Und die sie interpretieren können. Wenn Menschen auf
einmal Hund spielen, verwirrt es nicht nur Hunde. Ich denke, mein Blick und der
Blick von Puzzel waren in der vorher beschriebenen Situation identisch.
Verwirrt…
Selbst in die Hand
beißen als Übersprungshandlung
Ich wollte bei dem Mann nicht „klugscheißern“, und folgte
der Weisheit meines Hundes, der das Verhalten des Menschen ignorierte und
weiter entfernt als Übersprungshandlung schnüffelte. Ich erwähnte nur Puzzels
Alter, ging auch vorbei und tätigte auch eine Übersprungshandlung. Ich biss mir
in die Hand, um nicht loszulachen. Während der Mann hinter uns aufstand. Bei
einem Blick zurück konnte ich noch sehen, dass dieses Aufstehen sich etwas
mühsam gestaltete, er sich den Rücken hielt und danach seine Hose abstaubte.
Puzzel und ich schauten uns nochmal an – ich bin mir sicher, wir hatten die
gleichen Gedanken ;-)
Inzwischen kam auch der Hund des Mannes auf uns zugestürmt.
Bremste, schnüffelte kurz an Puzzel und ging einige Meter weiter und urinierte.
Es hätte mich nicht gewundert, wenn der kurz zuvor am Boden krabbelnde Mann
eine Sprühflasche mit Eigenurin gezogen hätte…
Muss ich Hund
spielen?
Nun gut, in der Situation habe ich nicht geklugscheißert.
Wohl auch, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, mir in die Hand zu beißen um
nicht zu lachen. Aber hier möchte ich doch noch etwas „kluges“ anmerken. Menschen
müssen nicht Hund spielen, um Vierbeinern gerecht zu werden. Menschen und Hunde
finden in ihrer sozialen Partnerschaft schon heraus, wie, wann und wo man
spielt, sich freundlich sozial miteinander auseinandersetzt. Auch ohne abstruse
„Anleitungen“. Wenn Sie mit Ihrem Hund auf dem Boden krabbeln möchten, machen
Sie das ruhig. Wenn ihr Hund Sie kennt und Sie sich gegenseitig angepasst
haben. Und Ihr Rücken und die Gelenke mitspielen. Sie müssen so etwas nicht
machen, aber Hunde sind vieles von Menschen gewöhnt. Aber nicht einfach vor
fremden Hunden herumkrabbeln. Die werden dadurch nur verwirrt.
Hunde können
Menschenverhalten interpretieren - aber
nicht, wenn diese Hund spielen
Das, was Hunde als ganz besonderes Haustier ausmacht ist die
Tatsache, dass sie Menschen interpretieren können. Sie lernen Menschen zu
verstehen – auch wenn diese sich wie Menschen verhalten. Und Hunde haben die
überaus faszinierende Fähigkeit, sich an Menschen anzupassen. Die Betonung liegt dabei auf „sich an
Menschen anzupassen“. Und nicht an „Hunde spielende Menschen“, die das in
irgendeinem Buch gelesen haben. Die irgendeine „Neuheit“ an allen Hunden
ausprobieren, die nicht schnell genug flüchten. Die machen Hunden eher Angst.
Mir übrigens auch…