Kleinhunde kann man nicht erziehen?
Wenn ich gefragt werde,
was man speziell bei der Erziehung von Kleinhunden beachten sollte, stellt sich
mir immer die grundsätzliche Frage, was überhaupt Erziehung bedeutet. Im Grunde
ist Erziehung ja ein Begriff, der ursprünglich im menschlichen Kontext gesehen
werden muss. Erziehung kann man als Oberbegriff für die soziologische und
psychologische Anpassung eines Menschen an eine komplexe Kultur beschreiben.
Schon bei der Betrachtung des Erziehungsbegriffs stellt sich daher die Frage,
ob dieser heute auch im Umgang mit Hunden inflationär eingesetzte Begriff dort als
korrekt bezeichnet werden kann.
Regeln oder Erziehung?
Sicher lernen Hunde
gewisse Regeln im sozialen Umgang mit ihren Partnern – denen der eigenen Art,
aber auch im Umgang mit artfremden Individuen, z. B. dem Menschen. Das ist
ihrer überaus stark ausgeprägten Fähigkeit der Anpassung geschuldet. Ob man
Hunde allerdings in das moralisch kulturelle Gesamtgefüge einer komplexen
menschlichen Kultur hineinpressen kann, erscheint mir persönlich fragwürdig. Hunde
erziehen sich nicht gegenseitig. Sie stellen im individuellen Umgang
miteinander Regeln auf, erwachsene Tiere bringen ihrem Nachwuchs bei, welches
Verhalten in welcher Situation von Vorteil ist. Diese Regeln werden übrigens,
gerade innerhalb der Tierfamilie der Hundeartigen, meist ohne Aggressivität oder gar Gewalt „gelehrt“.
Die Regeln werden in erster Linie dadurch verstanden, dass das Individuum nur
dann Erfolg hat, wenn es sich „richtig“ verhält. Erfolg als Belohnung – im
natürlichen Kontext wird also weit mehr mit Belohnung „gearbeitet“ als uns
Menschen immer wieder von einigen Hundeexperten vorgemacht wird. Aber das ist
ein anderes Thema…
Anpassung an die Umwelt
Damit Hunde in der
menschlichen Umwelt zurechtkommen, müssen sie lernen, gewisse Regeln zu
akzeptieren und sich insgesamt an ihr
soziales Umfeld anzupassen. Eigentlich übernehmen die Hunde durch ihre bereits
vorher erwähnte Anpassungsfähigkeit dort von selbst den größten Anteil. Ist ihr
Umfeld ruhig, ausgeglichen und herrscht ein freundlicher Umgang zwischen den
Menschen im Umfeld des Hundes, sind die Hunde ebenfalls meist ruhig und
ausgeglichen. In einer hektischen und vielleicht sogar aggressiven vom Menschen
geprägten Umwelt, zeigen Hund aller Erfahrung nach ein ähnliches Verhalten.
Unterschiedliche Regeln bei unterschiedlicher Größe?
Wichtige Regeln, die
Menschen Hunden beibringen sollten, sind z. B., dass man den Hund, egal in
welcher Situation, zu sich rufen kann. Oder, dass er aus Sicherheitsgründen
erst aus dem Auto springt, wenn ich es als Mensch erlaube, nachdem ich die Sicherheit
der Umwelt geprüft habe. Wichtig sein kann auch das Einüben eines
Alternativveraltens, wenn es eine Situation einmal erfordert, dass ich den Hund
ablenken oder aus einem ungünstigen Verhalten herausholen möchte, wenn ich
möchte, dass er ein Verhalten abbricht. Das Ganze natürlich verknüpft mit einem
Signalwort. Das sind Beispiele von dem, was ich einem Hund beibringen sollte,
damit er in der menschlichen Umwelt zurechtkommt. Und, um zum Thema Erziehung
und Kleinhunde zurückzukommen. Es ist für diese Regeln vollkommen unerheblich,
wie groß der Hund ist. Auch ein kleiner Hund sollte sicher abrufbar sein, ich
sollte ihn davon abbringen können, etwas zu tun, was er nicht tun sollte – meist
zu seiner eigenen Sicherheit. Die Regeln, die ein kleiner Hund lernen sollte
sind exakt die gleichen, die ein großer Hund lernen sollte.
Gleiche Bedürfnisse, gleiche Behandlung
Außerdem sind kleine
Hunde, trotz diverser durch Züchtung verstärkter oder verminderter
Eigenschaften, immer noch Hunde. Hunde, die ein gewisses Repertoire an
Grundbedürfnissen haben, welche nichts mit der Größe zu tun haben. So haben
alle Hunde ein großes Bedürfnis nach langen Ruhe- und Schlafzeiten, aber auch
nach ausreichend Bewegung und adäquater Beschäftigung, die aber nicht exzessiv
übertrieben werden darf – was Hunde jeder Größe stresst und zu
Verhaltensproblemen führen kann. Zu Ruhe, Schlaf und vernünftiger Beschäftigung
kommen weitere Bedürfnisse wie ausreichend sozialer Kontakt und soziale
Interaktion usw. Große und kleine Hunde haben exakt die gleichen
Grundbedürfnisse. Weshalb es für mich keinen plausiblen Grund gibt, Hunde
allein aufgrund ihrer Größe unterschiedlich zu behandeln. Weitere Faktoren wie
individuelle Vorlieben und Veranlagungen an dieser Stelle einmal ausgeklammert.
Aber im Grunde ist ein Hund ein Hund. Ob Chihuahua oder Dogge…