Von der Hundeszene, Belohnungen und Strafen und von der Kuh im Quadrant


Ganz ehrlich, mal so unter uns. Irgendwie geht mir die „Hundeszene“ im Moment unheimlich auf den Zeiger. Ich meine damit natürlich nicht die Hunde. Die können mir niemals auf den Zeiger gehen. Aber die Menschen innerhalb dieser „Community“ sind derart festgefahren, dass eine Weiterentwicklung praktisch immer im Keim erstickt wird. Im Keim einer quadrantierten Engsicht im Nebel der vermeintlichen Wahrheiten. Im Grunde genommen dreht es sich ausschließlich darum, ob man Hunde über Belohnung oder über Strafe trainiert, was ausschließlich richtig ist – geht es nur über Belohnung, darf man etwas Strafe anwenden, wieviel Strafe ist okay und was empfindet ein Individuum überhaupt als Strafe? Dieser augelutschte Mittelweg muss immer wieder herhalten, als eine vieler Rechtfertigungsformen, um Strafe  immer und immer wieder zu etablieren. Es geht nur noch darum, ob, wie wann, wo, wieviel belohnt oder bestraft wird oder werden darf, um Hund zu funktionierenden Robotern zu „erziehen“.

 

Was mir fehlt ist die Tatsache, dass Hunde unsere Sozialpartner sind und das Zusammenleben von individuellen Lebewesen nicht daran festgemacht werden sollte, wie einer der Sozialpartner den anderen über Belohnung oder Strafe zum funktionieren bringen kann.  Man stelle sich mal vor, zwei Menschen entdecken ihre Liebe zueinander, ziehen zusammen und gestalten ihr zusammenleben, ihre Regeln über Belohnung oder Strafe. Natürlich meckert man als Strafe mal, wen der eine den Joghurt aus dem Kühlschrank klaut oder man sagt sich nette Worte, wenn mit jemand z. B. Arbeit im Haushalt abnimmt. Das ganze Zusammenleben funktioniert aber in erster Linie durch gegenseitige Anpassung, durch Beobachtung, was dem anderen gefällt oder nicht. Dadurch, dass man sich im Kopf eine Vorstellung davon macht, welches Verhalten welche Konsequenz haben könnte, wie man freundlich miteinander umgeht und was dem anderen gefällt oder nicht. Das sind Dinge des kognitiven Lernens, einer Anpassung durch innere Vorgänge und nicht Verstärkungen oder Hemmungen von Verhalten, welches durch äußere Umstände hervorgerufen wird. Das ist nämlich das Hauptproblem. Belohnung oder Strafe, wie sie in der Hundeerziehung verstanden wird, bezieht sich auf die behavioristische Lerntheorie und meint ein verstärken oder hemmen eines Verhaltens, welches durch äußere Reize ausgelöst wird. Äußere Reize wohlbemerkt! Das Verhalten wird dann angepasst, bei Strafe wird es weniger, bei Belohnung mehr. Das ist ein Teil des Lernens. Darüber gibt es wissenschaftlichen Konsens, das dies ein TEIL des Lernens im alltäglichen Lebens ist. Menschen haben, um sich das selbst besser verständlich zu machen, eine Gedankenmodell entwickelt. Dort wird das über so genannte Quadranten beschrieben, in denen Verstärkung (Belohnung) und Strafe differenziert beschrieben wird. Das ist, wie gesagt, ein Gedankenmodell, ein Konstrukt zum besseren Verständnis dieses Teilbereich des Lernens. Einem wichtigen Teilbereich, aber eben nur einem Teilbereich. Die Hundeszene hat diesen Teilbereich aber zu einem zentralen Punkt ihrer Weltanschauung gemacht. Es ist zu einem heiligen Gral geworden – viele Hundetrainer*innen stecken in den Quadranten fest und finden keinen Ausgang mehr. Das sind sowohl die, die Belohnung vorziehen, als auch die, die mit Strafen Hunde zurechtbiegen wollen. Gefangen in Quadranten. Schöner Titel für eine Science Fiction Serie – aber eigentlich tägliche Realität in der „Hundeerziehung“. 

 

Lernen ist aber weitaus vielfältiger als hemmen oder verstärken von Verhalten, welches durch äußere Umstände hervorgerufen wird. Der größte Teil der Lernens passiert im Gehirn, durch innere Motivationen, durch Vorausdenken von möglichen Konsequenzen, von Erkenntnissen noch bevor man Verhalten zeigt. Kognitives Lernen ist das Lernen, welches in erster Linie unser Verhalten steuert. Erfolg oder Misserfolg des vorausgedachten Verhaltens um etwas gewünschtes zu erreichen. Erfolg oder Misserfolg, Erkenntnis durch innerlich zusammengesetztes Wissen. Das alles steuert Anpassung und Verhalten viel mehr, nachhaltiger und vor allem freundlicher, als Lernen über reine Belohnung. Das ist etwas, was in der Hundeszene einfach nicht ankommen will. Es wird weiter darüber diskutiert, wieviel Strafe in Ordnung ist und wieviel nicht. Wie man das Kognitive Lernen in den Alltag mit Hunden integriert ist exotisch und wird nichtmal angedacht. Eine Weiterentwicklung ist nicht in Sicht. Schade…

 

Wie gesagt. Verstärkung oder Hemmung sind laut wissenschaftlichem Konsens eine Teil des Lernens. Persönlich denke ich, und meine Erfahrungen bestätigen dies, ist es immer besser, wenn ich einem Hund etwas beibringen möchte, dies über Belohnungen zu machen. Bei gezieltem Training. Im Alltag und im Zusammenleben wendet aber jeder unbewusst mal eine Strafe an.Wenn es nur ist, einen Hund daran zu hindern auf eine Strasse zu laufen. Nicht, weil er schlecht traineirt ist. Vielleicht einfach, weil beide mal unaufmerksam waren. Dann brüllt man einen Humnd auch mal an, dass er aufmerksam auf den straßenverkehr wird. Strenfg genommen, behavioristisch gesehen iist diiese anbrüllen zur Aufmerksamkeit ein positive Strafe. Aber, wie gesagt, das kommt im Alltag vor. Bei gezieltem Training sollte man aber immer Belohnungen für, aus unsere Sicht richtiges Verhalten vorziehen. Weil es für mich ethisch nicht anders vertretbar ist, aber auch sachlich gefährliche Nebenwirkungen wie gesteigerte Aggressivität oder Angststörungen zur Folge haben kann,  wenn man über Strafen arbeitet.

 

Wie allerdings gesagt, wir sollten endlich mal raus aus unserem Quadrantenkopf und verstehen, dass eine soziale Gemeinschaft nicht über Strafe oder Belohnung funktioniert. Vorleben, miteinander Leben, inneren Vorgängen Raum und Zeit geben. Nicht nur trainieren, sondern miteinander Leben -  das sollte sich die Hundezene mal zu Herzen nehmen. Dann dreht sich die Hundewelt vielleicht nicht mehr so im Kreis und bleibt dabei ständig in den Ecken der heiligen Kuh stecken 😉

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