Der Mensch, die Hundeerziehung und die einfachen Lösungen
Zitat „Psychologie Heute, Juli 2016, Seite 21:
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- Sie neigen dazu, sich auf die erstbesten
Informationen zu stürzen und ein schnelles Urteil zu fällen, selbst, wenn sie
relativ wenig wissen.
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- Wenn sie einmal zu einem Ergebnis oder Urteil
gekommen sind, halten sie daran fest, selbst, wenn dies bedeutet, neue oder
bessere Informationen zu ignorieren
Gemeint sind damit Menschen, die mit den vielfältigen
Informationen und Unsicherheiten unserer Zeit überfordert sind und nach
einfachen Lösungen suchen.
Einfacher Umgang mit dem Hund
Einfacher Umgang mit dem Hund. Dafür stehe ich. Eigentlich.
Doch das sollte man nicht falsch verstehen. Ich sehe den Hund als hochkomplexes
und nicht einfach gestricktes Lebewesen an. Wenn wir dieses hochkomplexe
Lebewesen auch nicht immer verstehen
können, können wir sein Verhalten dennoch manchmal einfach akzeptieren. Uns im
Zusammenleben so arrangieren, dass für alle Beteiligten das Beste dabei
herauskommt. Dazu gehört wie gesagt auch, das Zusammenleben nicht unnötig zu
verkomplizieren. Wenn niemand dabei Schaden nimmt.
Unter einfachem Umgang mit dem Hund verstehe ich aber nicht,
bei Problemverhalten auf einfache Lösungen zu setzen. Man kann mit einfachen
Lösungen Probleme auch verstärken oder weitere kreieren.
Einfache Lösungen
Aber die Sache mit den einfachen Lösungen ist so eine menschliche
Eigenart. Das Leben ist mit undurchsichtigen, komplexen und widersprüchlichen
Situationen und Sachverhalten gespickt. Habe ich morgen noch einen Job? Wie
kann man die Terrorgefahr lösen? Bedroht uns die Umweltzerstörung? Macht uns
Pflanzenschutzmittel krank? Wird die lokale Politik endlich eine
Umgehungsstraße um unseren Ort finden oder uns vor vermeintlicher
„Überfremdung“ schützen?
Viele Fragen beschäftigen uns. Und in dem Dschungel aus
Fragen und Unsicherheiten suchen Menschen nach Antworten. Nach raschen
Antworten, um die Unsicherheiten vermeintlich schnell zu überwinden. Doch diese
tatsächlich einfachen Lösungen gibt es nicht. Die Suche nach der schnellen
Überwindung aller Unsicherheiten überfordert viele Menschen heute daher.
Der Artikel in der „Psychologie Heute, Juli 2016, Seite 20
ff“ beschäftigt sich mit dem Thema. Das Zitat vom Anfang wird dort aufgeführt.
Weiter wird dort erläutert, wie abträglich dieses Verhalten in vielen
Situationen ist und dass dieses „erstbeste Informationen als Wahrheit ansehen
und besessen daran festhalten“ negative Folgen haben kann. Es kann zu übereilten
Entscheidungen führen, zu Fehlgewichtung von Informationen, man läuft Gefahr,
manipuliert zu werden. Vorurteile haben einen guten Nährboden. Zudem sind diese
überforderten und nach einfachen Lösungen und Wahrheiten suchenden Menschen
empfänglich für autoritäre Ideologien. Sie folgen vermeintlichen Heilsbringern
oft unreflektiert. In der Hundeszene findet man diese Heilsbringer an allen
Ecken und Enden. Die mit den ultimativen Erziehungsmethoden, die
Ernährungspäpstinnen und Päpste, die Beschäftigungsgurus…
Ursachen für Aggression nicht immer einfach
Auch bei der Informationsflut rund um den Hund sind viele
Menschen inzwischen maßlos überfordert bei der Filterung eben dieser Informationen.
Und auch hier wird nach schnellen, einfachen Wahrheiten und Lösungen gesucht.
Was auch hier mit den Gefahren verbunden ist, manipuliert zu werden und
empfänglich für autoritäre Ideologien zu werden. Zudem führen fehlgewichtete
Informationen auch im Hundebereich zu übereilten Entscheidungen.
Als Beispiel kann man ein übersteigertes
Aggressionsverhalten eines Hundes anführen. Wenn man ein solches Verhalten
sachlich, in Ruhe und unter Einbeziehung vieler kontextbezogener Sachverhalte
analysiert, ist die Problemanalyse ein hochkomplexes Thema.
Ich persönlich erstelle in meiner Praxis immer wieder
Statistiken meiner Kundenfälle. Und daraus ergeben sich interessante
Blickwinkel, vor allem zum Thema übersteigerte Aggression bei Hunden. 63% von
aggressivem Verhalten sind demnach gesundheitsbedingt. Schmerzhafte muskuläre
oder Gelenkerkrankungen, Entzündungen oder hormonelle Probleme wie z. B. eine
Schilddrüsenunterfunktion sind häufige Ursachen. Und von den verbleibenden 37%
der aggressiven Hunde, hatten wieder 85% eine unschöne Vergangenheit – in der
sie überwiegend mit Strafen konfrontiert wurden.
Mangelnde Führung Grund für Aggression?
Wie man sieht, kann Aggression viele Ursachen
haben. Hundeexperten, die das nicht berücksichtigen und immer das einfache
Muster von mangelnder „Rudelführung“ etc. bemühen, machen sich das zuvor
beschriebene zunutze. Die Unsicherheit vieler durch Informationsflut
überforderter Menschen.
Aggressionsprobleme sollten aber mit viel
Verstand, Wissen und Fingerspitzengefühl angegangen werden. Und nicht mit
simplem Rangordnungsgerede…
Einfache Lösung für die einfachen Lösungen?
Mal abgesehen von Hundeproblemen und konkreter
Problemlösungsorientierung. Wie können Menschen Unsicherheiten und Verwirrungen
der heutigen Zeit überwinden, ohne Gefahr zu laufen, manipuliert zu werden und
autoritären Ideologien nachzurennen?
Natürlich gibt es auch dafür keine einfache Lösung. Ein
erster Schritt wäre es aber schon, manchmal das eigene Hirn zu benutzen, nicht
nur vermeintlichen Wahrheiten hinterher zu hecheln. Über Konsequenzen des
eigenen Handelns nachzudenken. Zu
lernen, Unsicherheiten mal auszuhalten. Die obsessive Suche nach den einfachen
Lösungen macht das Leben nämlich am Ende noch komplizierter, als es sein müsste. Wenn
man einem aggressiven Hund z. B. mit eigener Aggression begegnet, werden die
Probleme und die Gründe der Probleme nämlich nicht besser. Vielleicht unterdrückt,
aber nicht besser.