Unerzogener Hund oder unsensible Menschen?
Der Hundehalter hat sich mit der Körpersprache seines Hundes
beschäftigt, hat ihm beigebracht, auf Signal ein Ersatzverhalten zu zeigen. Er
hat sich mit dem Wesen seines Hundes beschäftigt, weiß, wie er in welchen
Situationen reagiert, wie er seinem Hund helfen kann, wenn dieser verunsichert
ist.
Doch dann passiert immer wieder das Gleiche. Der Hundehalter
und sein Hund begegnen Menschen, die in Sekundenschnelle vieles einfach wieder
ruinieren. Wenn man zum Beispiel einen unsicheren Hund hat, der aus
verschiedenen möglichen Gründen unsicher ist und sich schnell bedroht fühlt.
Das kann rassebeding angeboren sein, das kann durch schlechte Erfahrungen
erworben sein – egal. Wenn ein Hund so ist, kann es für ihn ein Grauen sein,
wenn Menschen sich über ihn beugen, ihn anstarren und /oder ihn vollquatschen.
Und ggf. noch die Hand nach ihm ausstrecken. Dann fühlt er sich möglicherweise
bedroht. Trotz langem Trainings, trotzdem, dass er mühsam erlernt hat, solche
Situationen zu ertragen und ggf. auch mit der Hilfe von Konditionierungen sogar
als positiv zu empfinden. Das Empfinden kann schnell kippen, weil das
Anstarren, Vorbeugen und Vollquatschen vom Hund im Grunde immer als bedrohlich
angesehen wird. Ist er sensibel, wie gesagt angeboren oder erlernt, kann trotz
aller Bemühungen die Interpretation als Bedrohung durch einen Fremden schnell
in ein Abwehrverhalten umschlagen. In den meisten Fällen äussert sich dies durch
knurren oder bellen.
Man stelle sich also die Situation vor: Sensibler Hund
trifft auf dem Gassigang einen Menschen, der es eigentlich nett meint. Er beugt
sich vor, schaut den Hund an und redet mit ihm. Der Hund knurrt und kläfft los.
Wie oft hört man dann, wie unerzogen doch der Hund sei. Wer dort dann pauschal
von unerzogen redet, weiß doch garnichts davon, wie sehr sich der Hundehalter
bemüht hat, welche Geschichte der Hund hat, warum er so sensibel ist.
Die Menschen die den Hund so ansprechen, meinen es in den
meisten Fällen auch gar nicht böse – im Gegenteil, sie wissen oft nur nicht,
was ihr Verhalten und ihre Körpersprache für den Hund bedeutet.
Was in solchen Situationen zu tun ist? Dafür gibt es keine Gebrauchsanleitung.
Wichtig ist, dass man den Hund nicht in der für ihn bedrohlichen Situation
lässt oder gar versucht, ihn irgendwie vom Bellen abzubringen. In meinen Augen
wäre es gut dem Menschen ruhig zu sagen, dass sich der Hund bedroht fühlt, z.
B. aufgrund seiner Geschichte. Und dass er sich bitte vom Hund abwenden möge.
Dann ganz in Ruhe weitergehen. Und, ganz wichtig, gar nicht hinhören, wenn
irgendjemand im Umfeld etwas von „unerzogener Hund“ redet. Auch wenn es schwer
fällt…