Welpenspielstunde – Grundlage von Kommunikationsproblemen unter Hunden?

Hunde sind hoch entwickelte Lebewesen, die von Natur aus in sozialen Familienverbänden leben und sich kommunikativ Untereinander gut verständigen können. Die Kommunikation untereinander wird im Welpenalter erlernt und hat Auswirkungen auf das ganze Leben des Hundes. Um die Kommunikationsfähigkeit unserer Hunde zu fördern, gibt es heute so genannte Welpengruppen oder Welpenspielstunden, die von Hundeschulen angeboten werden. Eigentlich eine gute Idee, wenn sie gut und professionell umgesetzt wird…

„Da müssen sie durch“

Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis: Eine Hundehalterin rief mich an, ihr Yorkie – Welpe, 14 Wochen alt, sei völlig verängstigt und zu nichts zu gebrauchen. Bei einem Besuch fand ich dann tatsächlich einen ängstlichen Hund vor, der sich sogar hinter Schränken verkroch. Die Frau raunzte den Hund an, er solle hinter dem Schrank hervorkommen und sich mir zeigen. Als er das nicht tat, ging sie hin, zerrte ihn hervor, packte das arme Tier im Nacken und schüttelte es! Ich schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte der Frau, sie möge dies bitte sofort unterlassen! Ich riet ihr, den Hund komplett in Ruhe zu lassen und mir erst einmal die Geschichte des Hundes zu erzählen.
Und wie ich es vermutet hatte. Der Hund war der erste Hund dieser Dame. Sie wollte nichts falsch machen und meldete sich bei einer Hundeschule zur Welpengruppe an. Der Hund kam im Alter von 8 Wochen zu seiner neuen Besitzerin, eine Woche später ging es in die Welpenschule. Dort wurde er in eine Spielgruppe gesetzt, die mit 5 Hunden besetzt war. Verschiedene Rassen waren in der Gruppe zu finden,  im Alter zwischen 9 Wochen und einem halben Jahr. Die Rassen waren ein Berner  Sennenhundwelpe, ein Labrador als „Ältester“, zwei Dackel und ein Bordercollie und eben unser Yorkie. Der Besitzer der Hundeschule setzte den Kleinen einfach zwischen die anderen Hunde. Als dieser von den mehrheitlich wesentlich größeren Tieren teils massiv bedrängt wurde und die Besitzerin einschreiten wollte, sagte der Hundetrainer nur: „Da muss er durch, die regeln das untereinander“. Weiter gab dieser Mensch der Frau mit auf den Weg, wenn der Hund daheim „nicht hören“ würde, ihn als „Bestrafung“ im Nacken zu packen und kräftig zu schütteln…
Leider werde ich immer wieder mit solchen oder ähnlichen Geschichten und Hundeschicksalen konfrontiert. Aber es macht mich wütend. Da geht die Frau in bester Absicht mit ihrem Tier zu einem „Fachmann“, und dort wird ihr alles falsch vermittelt, was man nur falsch vermitteln kann!

Lange keine großen Ausflüge


Gehen wir auf die einzelnen Fehler einmal genauer ein: Dazu sollten wir uns kurz vor Augen führen, wie eigentlich das soziale Leben bei Hunden von Natur aus aufgebaut ist. Gern führen Menschen an solchen Stellen den Wolf als Beispiel an, was hier nicht ganz falsch wäre, aber auf Grund der Domestikation vom Wolf zum Hund hat sich einiges beim Hund gegenüber seinem Stammvater Wolf verändert. Allerdings bei Welpen noch nicht wirklich viel – der einzige echte Unterschied zwischen Wolfswelpen und Hundewelpen ist eigentlich nur, dass junge Hunde wesentlich weniger ängstlich und scheu dem Menschen gegenüber sind. Die soziale Grundkomponente ist bei Wölfen, Hunden und auch verwilderten Hunden und Streunern eigentlich gleich. Das heißt, Welpen werden, wenn ihre Eltern sie aufziehen, sehr lange und sehr isoliert umsorgt. Das heißt z. B., dass wilde Hunde und Wölfe ihren Nachwuchs erst nach 5 – 6 Monaten auf weitere Streifzüge durch das Revier mitnehmen. Vorher kennen sie eigentlich nur ihren Geburtsort und ein bis zwei weitere Plätze. Sie wachsen behütet auf, werden aber erst mit ca. einem halben Jahr langsam in die große, weite Welt eingeführt. Sie leben mit ihren Geschwistern, die alle eine ähnliche Optik und Größe haben. Natürlich entwickeln sich unter den kleinen Geschwistern hier und da Rangordnungen und Raufereien, die aber meist mit dem Aufschrei des anderen enden. Die Jungen müssen ihre Grenzen erfahren und lernen. Wird es doch einmal zu heftig, schreiten die Eltern durchaus ein. Aber auch das ist sehr wenig brutal, meist werden die Kleinen einfach nur mit der Nase weggeschubst oder es wird der kleine Kopf andeutungsweise zwischen die großen Zähne genommen – der so genannte Schnauzgriff. Kleines Köpfchen zwischen Mutters riesigen Zähnen, das reicht zur Einschüchterung. Auf keinen Fall und niemals(!) wird ein Hund, ob Wildhund oder Haushund, seinen Welpen im Nacken schütteln, um ihn zurechtzuweisen oder zu „strafen“. Ein Hund, der dies macht, möchte den Welpen töten! Das kommt bei sehr kranken Welpen vor, oder wenn aus irgendeinem Grund ein fremder Welpe die Nahrungsgrundlagen des eigenen Nachwuchses gefährden würde.

Todesangst vor fremden Hunden


Wenn man sich die letzten Zeilen durchgelesen hat, wird man von selbst darauf kommen, was der kleine Yorkie zu Anfang des Artikels mitgemacht haben muss! Er durfte nicht lange bei seiner Familie sein und wird von fremden Menschen abgeholt. Nun, das ist aber noch in Ordnung, Hunde sind in der Lage, diese Umstellung in dem Alter zu verkraften. Was dann aber ganz schwierig wird ist, das arme Tier fremden Hunden auszusetzen und dort mobben zu lassen ohne einzugreifen. Jeder kann sich doch wohl vorstellen, wie sich ein kleiner Hund, gerade 9 Wochen alt und so groß wie eine Ratte, fühlen muss, wenn er von einem fremden, sechs Monate alten Labrador überrannt wird. Ganz einfach, das Tierchen hat Todesangst!
Heute wird den kleinen Tieren einfach zu viel zugemutet. Auch der jüngste Hund wird schon durch die Gegend gezerrt, in Aufzüge gesetzt, in Fußgängerzonen von Menschen bedrängt – nach dem Motto. Der muss sich ja an alles gewöhnen, sonst bekommen wir später die Probleme mit ihm. Aber diese Übertreibungen bereiten die Probleme meist erst…

Vertrauen ist wichtiger als Welpen in Aufzügen


Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ein junger Hund, der ein liebevolles Zuhause hat und der zu seinen Menschen aufschaut und ihnen vertraut, diesen überall hin folgt und auch unbekannte Ereignisse locker trägt, wenn er in seiner Jugend ein gewisses Selbstbewusstsein aufgebaut hat und seinem Herrchen/Frauchen vertraut. Dafür braucht man ihn keine Rolltreppe hinaufzuquälen – im Gegenteil – Ängste können sich tief einprägen.
Aber, damit man mich nicht falsch versteht: Ich bin kein grundsätzlicher Gegner von Welpenspielgruppen. Nur wenn man so etwas einrichtet, muss man auch wissen, was man macht, und nicht das Gegenteil von dem erreichen, was man ursprünglich wollte. Welpengruppen können in vielen Punkten sicher hilfreich sein. Im Punkt des „hündischen Rassismus“ ganz besonders. Wird ein Hund nur unter seines Gleichen groß, kann er sicher später Probleme mit Hunden anderer Rassen haben, insbesondere, wenn diese starke optische Abweichungen haben. Allerdings ist unser Yorkie den Rest seines Lebens vermutlich nicht gut auf die Rasse Labrador zu sprechen…
Wenn man also eine Welpenschule einrichtet, sollte man auf Folgendes achten: Man braucht mehrere Gruppen, praktisch „Klassen“. Innerhalb dieser Klassen müssen das Alter und die Größe ungefähr gleich sein, aber die Rassen unterschiedlich. Sagen wir, Westies mit Dackeln und Yorkies oder Schäferhunde mit Huskys etc. Man braucht also mindestens vier „Altersklassen“: 8 bis 10 Wochen; 10- 12 Wochen; 12 – 14 Wochen und 14 bis 16 Wochen. Dann muss man die noch in verschiedene Größen aufteilen – mindestens Klein, Mittel und Groß. Und die Gruppen sollten mindestens 4 Welpen beinhalten. Also, man braucht mindestens 12 Klassen mit 4 Welpen, die genau in das Schema passen – dann kann man vernünftige Welpengruppen installieren. Neben der vernünftigen Aufteilung der Gruppe ist ein weiterer Punkt sehr wichtig: Es ist in der Natur keineswegs so, dass die Welpen alles unter sich regeln. Im Gegenteil, wenn ein Gerangel zu heftig wird, greifen Eltern oder ältere Geschwister, die als „Babysitter“ abgestellt sind, durchaus ein und unterbrechen Grobheiten. Ähnlich sollte der Hundetrainer bei der Betreuung von Welpengruppen vorgehen – Grobheiten strikt unterbrechen und so erst gar kein „Mobbing“ aufkommen lassen. Es ist sogar möglich, diese Aufgabe von einem sehr gut sozialisierten, erfahrenen, erwachsenhen Hund ausführen zu lassen. Doch auch da gibt es eine Gefahr. Ein instinktiver Welpenschutz bei fremden Welpen existiert im Hundereich nicht! Heilig sind normalerweise nur die Welpen der eigenen Familie – fremde Welpen werden in der „freien Wildbahn“ gern getötet, weil sie einfach nur Nahrungskonkurrenten sind. Hat aber der Hundetrainer oder die Hundeschule einen Althund, der verlässlich ist und die Rolle des Aufpassers übernehmen kann, ist dies sicher hilfreich bei der Sozialisierung. Aber solche Hunde sind heute leider selten…
Also scheitern Welpengruppen meist an der Praxis, und so werden wieder kleine Dackel mit Bernhardinern zusammengesetzt, weil man es organisatorisch nicht anders hinbekommt.

Wichtig! Welpenschule genau prüfen!


Wenn sie also eine Welpenschule besuchen möchten, sollten sie sich folgende Kriterien vor Augen führen: Gibt es Welpenklassen nach Alter und Größe getrennt? Weiß der Hundetrainer, dass Hunde eben nicht alles unter sich regeln, und weiß er, dass man Hunde nie und unter keinem Umständen im Nacken schütteln darf? Ist das alles so, können Sie es probieren, wenn nicht, lassen sie die Finger von dieser „Hundeschule“ und suchen sich kompetente Menschen, die ihnen weiterhelfen – denn auch die gibt es. Oder bauen sie einfach ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen ihnen und ihrem Hund auf, dann wird ihr Hund ihnen überall hin folgen. Das Wichtigste im Verhältnis in der Beziehung zwischen Mensch und Hund ist nämlich Vertrauen.

Doch zurück zu unserem Yorkie. Der arme Kerl war durch die Bedrängungen der größeren Hunde nicht gut auf diese Tiere zu sprechen. Zudem hatte er keinerlei Vertrauen zu seinem Frauchen, weil die ja nicht in der Lage war, ihn vor den anderen Hunden zu beschützen. Die hatte ja nur zugeschaut, als er Todesängste litt… Und immer wenn er Angst hatte und Gefahren aus dem Weg gehen wollte, wurde er vom Frauchen auch noch durchgeschüttelt. Der Hund hatte ein völlig verdorbenes Verhältnis zu Mensch und Hund sowie keinerlei Vertrauen in seine einzige Bezugsperson, sein Frauchen. Mit viel Geduld und Liebe haben wir den Hund heute so weit gebracht, dass er Vertrauen in seinem Frauchen hat und Hunde ihm nicht mehr so ein Gräuel sind, wie noch vor Monaten. Aber ob dieser Hund jemals ein Hundefreund wird, bleibt abzuwarten…

       

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