Stillgestanden!

Um es vorweg zu sagen: Ich habe nichts gegen Hundeschulen, wenn sie seriös und qualifiziert geleitet werden und der Betreiber Mensch und Hund achtet und in ihrer Würde respektiert. Ich bin auch selbst in diversen Verbänden organisiert, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Qualität von Hundeschulen, Hundepsychologen und weiteren „Hundeexperten“ zu verbessern. Aber leider gibt es im deutschsprachigen Raum immer noch Hundetrainer oder Hundevereine, bei denen mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn ich nur deren Namen höre …
Vor einiger Zeit erwähnten Kunden von  mir immer wieder eine bestimmte Hundeschule, wo es recht hart zugehen musste. Viele hatten sich bei mir eingefunden, weil ich ihren Hunden helfen sollte, die nach Besuch dieser Hundeschule deutlich verunsichert waren. So nahm ich mir eines Tages vor, mir diesen Betrieb einmal anzusehen. Gedacht, getan. Ich meldete mich unter falschem Namen und ging mit einem Hund, den ich mir ausgeliehen hatte, zum Trainingsplatz. Einen „geliehenen“ Hund nahm ich aus dem Grund mit, weil dieser komplett unausgebildet war und außerdem einen solch ruhigen und gelassenen Charakter hatte, den nichts erschüttern oder aus der Ruhe bringen konnte. Damit unser Inkognito-Status gewahrt bleibt, nennen wir den Hund hier einmal Mike, seine wahre Identität möchte der Mischling nicht bekanntgeben.
Mike und ich traten also unseren „Undercover-Einsatz“ an, der uns zum Training in die berüchtigte Hundeschule führte, bei der wir einen Anfänger-Kurs gebucht hatten. Noch drei weitere Mensch-Hund-Paare nahmen an diesem Kurs teil: Da war die nette Familienmutter, Frau F., die sich, nachdem die Kinder aus dem „Gröbsten“ waren, ihren Kindheitswunsch erfüllt hatte und den ersten eigenen Hund, einen 2-jährigen Labrador, mitgebracht hatte.
Der zweite Mann der Truppe, Herr G., war Rentner und hatte bereits den 5. Dackel in seinem Leben. Aber dieser war der erste, der Probleme machte, darum hatte Frau G. ihren Mann überredet (oder es ihm befohlen?), eine Hundeschule zu besuchen. Und – last, but not least – gab es eine junge Dame um die 20, Frau H., die sich ihren ersten Hund zugelegt hatte, nachdem sie daheim ausgezogen war. Es war ein Rhodesian Ridgeback, eine afrikanische Hunderasse, groß und kräftig und gezüchtet, um südafrikanische Farmen zu bewachen und die Farmer auf der Jagd, z. B. der Löwenjagd, zu begleiten. Die lebhaften Hunde, die trotz ihrer ursprünglichen „Verwendung“ einen sensiblen Charakter haben, sind leider „modern“. Dieser Mode war auch Frau H. verfallen. So hatte diese zierliche Person, ca. 1,60 groß und mit einem geschätzten Gewicht von ca. 50 kg ausgestattet, nun einen Rhodesian Ridgeback an der Leine …
Wir warteten voller Spannung auf die große Meisterin – die Hundeschule wurde von einer Frau geleitet –, die uns beibringen sollte, wie wir Hunde erziehen müssen. Wir warteten am Eingangsbereich des Hundeplatzes, bis plötzlich die Tür einer Holzhütte energisch aufgeschlagen wurde, die am anderen Ende des Platzes stand. In der Tür tauchte eine Frau auf, die mir schon auf den ersten Blick solch frostige Humorlosigkeit entgegenwarf, dass ich eine Gänsehaut bekam. Sogar Mike, meine Undercover-Hund, der eigentlich die Ruhe selbst war, stand auf (er hatte sich beim Warten zuvor gelangweilt ins Gras gelegt) und schaute sich die Gestalt, die da aus der Hütte kam, ganz genau an.
Die Frau schritt in unsere Richtung, während ein eiskalter Hauch ihr vorauseilte.  Sie kam auf uns zu, als würde sie von einer Leine gezogen, ihr Schritt erinnerte mich an den der Soldaten bei Militärparaden, wie man sie früher von Bildern aus der DDR oder der Sowjetunion kannte. Gleichsam im Stechschritt marschierte die Hundetrainerin auf uns zu. Gebannt starrten die Menschen in ihre Richtung; auch sie spürten, dass von der Frau etwas Bedrohliches ausging, zeigten aber ihre Verunsicherung nicht. Die Hunde wurden nervös, waren aber weitaus ehrlicher in der Beurteilung des ersten Eindrucks ihrer Lehrerin. Der Ridgeback, Rambo, demonstrierte in seiner vorsichtigen, sensiblen Art deutlich, dass dieser Tag nun wirklich nicht zu seiner Lebensplanung passte. Ohne den Schulalltag ernsthaft kennengelernt zu haben, wollte er den Hundeplatz beim Anblick der Trainerin sofort wieder verlassen. Er klemmte die Rute ein und machte einen energischen Sprung in Richtung des Fahrzeugs, aus dem er vor wenigen Minuten herausgekommen war. Seine Besitzerin hatte alle Mühe, das Tier zu halten. Der Dackel mit dem klassischen Namen Waldi (irgendwie schön, dass es auch noch klassische Namen gibt – ich fürchte allerdings, bald heißen Hunde auch Kevin, Lukas oder Lena J) war weniger vorsichtig als Rambo und nahm offensichtlich an, eine gesunde Offensive würde die unfreundliche Frau verscheuchen. Er bellte und drohte. Ein flüchtender Ridgeback und ein kämpfender Dackel – wie schön, dass beide ihre Kräfte so gut einschätzen konnten ... Ein großer Hund unterschätzt diese nämlich manchmal, während bei einem kleinen eher das Gegenteil der Fall ist.
Nach einer knappen Begrüßung der Hundetrainerin, Frau J., wurde wir in Reih und Glied nebeneinander auf dem Platz positioniert. Frau J. erklärte uns nun, dass Hundeerziehung nichts weiter als Disziplin sei, dazu gehöre auch, dass wir uns ihren Anweisungen zu fügen hätten und nicht ständig alles hinterfragen sollten. „Das ist so in Mode gekommen“, sagte sie in selbstsicherem Ton. „Na das soll mir ja was werden“, dachte ich bei mir und beobachtete sehr interessiert die anderen Teilnehmer. Besonders fiel mir die zierliche Frau H. mit ihrem Ridgeback auf, die inzwischen ähnlich unsicher wirkte wie Rambo, aber auch bemüht war, alles richtig zu machen. Als hätte ich es geahnt, wurde Frau H. als erste persönlich von der Trainerin angesprochen.
„Sie mit dem Löwentöter, kommen Sie mal her“, sagte Frau J. in harschem Ton.
„Ich?“, entgegnete die Besitzerin von Rambo, die nun noch mehr verunsichert war.
„Ja natürlich Sie! Oder denken Sie, der Mischling da könnte Löwen töten“, fauchte J. und deutete auf mich und Mike, den das aber nicht zu interessieren schien.
Zögernd ging Frau H. mit ihrem Hund (der übrigens sicher keine Löwen töten könnte, dafür wurde er auch nie gezüchtet; lediglich stellen sollte er sie) zur Trainerin. Die ganze Szenerie erinnerte mich an die amerikanischen Militärfilme, in denen Ausbilder ähnliche psychologische Mittel einsetzen, sich eine schwache Person aussuchen, die die vermeintliche Macht nicht in Frage stellt, und diese vorführen, um andere, die sich nicht so leicht vorführen lassen, vorzuwarnen. Als Frau H. mit ihrem Hund bei der Trainerin angekommen war, sagte diese in ihrem hochcharmanten Militärton:
„Bringen Sie den Hund mal ins „Platz“!“
„Aber das kann er noch nicht, deswegen sind wir ja hier“, stammelte die inzwischen komplett eingeschüchterte junge Frau.
„Gut, ich zeige Ihnen mal, wie man einem Hund das in Sekunden beibringt!“ 
Ich war gespannt, wie sie dem Hund vermitteln wollte, sich hinzulegen. Eigentlich ist das nicht schwer: Wenn man sie aus sitzender Position mit etwas Nahrung an der Nase in Richtung Boden leitet, legen sich die meisten Hunde hin. Sagt man in dem Moment dann noch „Platz“ und gibt ihnen die Nahrung sofort, verknüpfen sie recht schnell das Wort „Platz“ mit der Tätigkeit des Hinlegens. Natürlich dachte ich, Trainerin würde das jetzt auch so oder ähnlich vorführen. Doch weit gefehlt! Frau J. ging neben den Hund in die Hocke, griff unter dem Bauch des Tieres durch an die Beine der gegenüberliegenden Seite. Dann zog sie einmal kräftig an den Beinen des Hundes, der dadurch auf die Seite fiel. Der sowieso schon unsichere Ridgeback wusste nicht, wie ihm geschah, und wollte aufspringen, um vor der für ihn völlig unverständlichen Situation zu flüchten. Aber was machte Frau J. jetzt? Sie kniete sich auf den liegenden Hund, so dass dieser nicht aufstehen konnte. Und dazu brüllte sie „Platz“ – solange, bis der Hund nicht mehr zappelte und ruhig am Boden lag.
Ich gebe offen zu, dass ich schon eher hätte eingreifen müssen, aber nun blieb mir nichts anderes übrig: Diese inkompetente Behandlung des Hundes konnte ich nicht länger ertragen. Obwohl ich genau wusste, dass ein Eingreifen nur dazu führen würde, dass ich des Platzes verwiesen würde und ich dann keine weiteren Fakten mehr sammeln konnte, beendete ich die Vorführung mit einer Frage an Frau J.: „Das funktioniert ja toll! Können Sie mir das bei meinem Hund auch einmal zeigen?“
„Sicher“, grunzte Frau J., „kommen Sie her!“
Ich ging mit Mike zu der Trainerin, die in dem Moment den armen Ridgeback losließ. Mike wurde von mir positioniert, während er mich sehr fragend anschaute, und Frau J. ging in die Hocke, wie sie es schon zuvor demonstriert hatte. Bevor sie jedoch Mike anfassen konnte, nutzte ich ihre schwache Standfestigkeit, die sie in dieser Position hatte, aus, griff an ihre Schulter und schubste sie um. Sie kullerte auf den Rücken und wirkte dabei ziemlich hilflos. Ich kommentiere meine Handlung mit einem „Platz“, nahm Mike und verließ diese Hundeschule, natürlich nicht, ohne eine wahre Schimpfkanonade der Trainerin hinter mir zu hören.
Dieser kurze Einblick in die Arbeitsweise der Hundetrainerin bestätigte mir, was ich über den Betrieb gehört hatte. Hier wurden die Hunde ausschließlich über Gewalt und Einschüchterung „ausgebildet“ – es wunderte mich nicht, warum so viele ehemalige Kunden dieser Dame bei mir vorstellig wurden, Sie hatten stark traumatisierte Hunde, was das Ergebnis dieser Hundeschule war. Warum eine solche Art der „Hundeausbildung“ wirklich idiotisch ist, werde ich in einem späteren Kapitel näher erläutern. Was mich aber rein (human-)psychologisch fasziniert, ist die Tatsache, dass sich Menschen, die auch noch Geld dafür bezahlen, von vielen Hundetrainern wie den letzten Dreck behandeln lassen. Sicher hat das etwas mit Gruppenzwang zu tun. Menschen entwickeln gern eine gewisse Konformität in einer Gemeinschaft, obwohl sie möglicherweise anders denken. Sie wollen einen guten Eindruck hinterlassen, haben Angst vor Ablehnung und fühlen sich daher nicht wohl, wenn sie sich gegen eine Mehrheit stellen. Unfähige Gruppenleiter nutzen das oft aus, indem sie die vermeintlich schwächsten Mitglieder schikanieren oder vorführen, wie das bei der jungen Dame mit dem Ridgeback geschehen war. So macht man sich Gruppen gefügig. Das hat dann auch zur Folge, dass eine Einrichtung wie in diesem Fall die Hundeschule nach außen hin als kompetent verkauft wird. Niemand will sich eingestehen, Mitglied einer Gruppe gewesen zu sein, die solch eine Abneigung hervorruft. Das ist ein Bestandteil menschlichen Verhaltens und leider auch anzutreffen bei Hundeschulen, die nicht so schlecht arbeiten wie Frau J.
Ich kenne einige Hundetrainer, die zwar korrekt mit Hunden umgehen, die Menschen aber ähnlich behandeln,  wie Frau J. das getan hat.
Ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Wahl einer Hundeschule ist daher für mich ganz klar der korrekte Umgang mit Hund UND Mensch. Darauf sollten Sie immer achten. Glauben Sie mir: Als ich Frau J. auf den Rücken kugelte, hatte ich keine Angst vor Ablehnung durch die Gruppe, ich empfand nur eine tiefe Abneigung für die Frau.
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Diese und weitere Geschichten aus meinem Alltag mit Hunden und Menschen finden Sie hier:



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