Wer von Wattebäuschen redet hat oft weiche Argumente…

Machen wir uns nichts vor. Wenn man in Deutschland (aber auch z. B. in Luxemburg, Österreich oder der Schweiz) von den „richtigen Wegen“ in der Hundeerziehung spricht, geht es schon lange nicht mehr um Hunde. Sicher, die Hunde sind wichtige Statisten in diesem inzwischen schlechten Schauspiel von Dorfbühnencharakter. Aber sie sind nicht nur die Statisten, sondern in erster Linie die Leidtragenden. Die Leidtragenden der menschlichen Auseinandersetzung darum, wer denn nun schlauer ist oder mehr „Recht“ hat, wenn es um Hundeerziehung geht. Ein Großteil der veröffentlichten Bücher und der veröffentlichten Artikel in Hundefachzeitschriften dreht sich letztlich um das Thema. Oft geschickt versteckt, manchmal offen angesprochen. Es geht dabei, wenn man sich der Sache einmal von der Psychologie des Menschen her annähert, wie gesagt nur am Rande um den Hund. Der Hund wird praktisch als Vehikel der inneren Konflikte der menschlichen Gesellschaft angesehen. Ich möchte daher an dieser Stelle nicht auf Erziehungsmethoden etc. eingehen, sondern möchte einmal aufzeigen, welche menschlichen Beweggründe hinter dieser Auseinandersetzung stecken. Der Mensch ist von seiner Psyche so angelegt, dass er auf der einen Seite gern einmalig, individuell sein möchte. Aber auch innerhalb einer sozialen Gemeinschaft akzeptiert und respektiert. Ein Wiederspruch? Natürlich – aber wir sprechen hier ja vom Menschen…
Der Mensch möchte einzigartig und gleichzeitig sozial kompatibel sein
Der Mensch möchte also immer seine Individualität, seine Einzigartigkeit unter Beweis stellen. Das hat den Grund, das eigene Selbstwertgefühl zu steigern – und somit das Vertrauen in die eigene Person und in die eigenen Handlungen. Es ist aber für das soziale Lebewesen Mensch auch wichtig, sich innerhalb einer sozialen Gruppe zurechtzufinden und sich anzupassen. Diese auf den ersten Blick verwirrende Verhaltensweise des Menschen begründet z. B. Verhaltensweisen wie Modetrends – kommt eine neue Mode auf, wird sie zunächst von wenigen, die ihre Individualität zeigen können „ausgelebt“ – aber gleichzeitig werden wieder „Gleichgesinnte“ gesucht, damit eine soziale Zugehörigkeit gefunden wird. Und so lösen sich Trends um Trends ab…
Fehler eingestehen fällt Menschen schwer
Nun gesteht sich der Mensch allerdings, wenn er sich für einen Trend oder insgesamt für die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe mit einer bestimmten Aussagekraft entschieden hat, sehr ungern einen Fehler bei der Entscheidung ein. Denn das Eingestehen einer Fehlentscheidung fällt Menschen außerordentlich schwer.
Wozu dieser Ausflug in die menschliche Psyche? Nun, wenn man sich diese menschlichen Verhaltensmuster einmal näher anschaut, kann man vielleicht besser verstehen, warum die Hundeszene so, sagen wir es freundlich, „merkwürdig“ ist. Auch hier werden täglich neue Trends „geboren“, und wenn jemand sich für den neuen Trend entschieden hat, gesteht er sich nur schwer ein, dass es vielleicht ein Fehler gewesen sein könnte. Und hier geht es nicht nur um das „Rechthaben“, nein es ist noch das anvertraute Lebewesen Hund mit einbezogen. Sprich, eine Fehlentscheidung wiegt schwerer, als wenn es nur um einen selbst gehen würde. Man gesteht sich also eine Fehlentscheidung sowieso schwer ein, wenn man aber noch eingestehen soll, dass der Umgang mit dem Hund nicht optimal war, fällt es noch schwerer. Weil die  mögliche persönliche Fehlentscheidung ggf. negative Auswirkungen auf den Hund haben könnte, wird oft vehement an der Meinung festgehalten. Damit man nicht zugeben muss, vielleicht dem Hund geschadet zu haben. Das ist einer der Erklärungsversuche, warum die „Fronten“ in der Hundeszene so verhärtet sind. Wie gesagt, der Hund ist da oft zweitrangig – es geht dem Menschen vordergründig darum, dass er sich gut fühlt, weil er das „Richtige“ für den Hund getan hat.
Das  eigene Wohlgefühl
Gut, um sich selbst das Gefühl zu verschaffen, gutes für den Hund zu tun und recht zu haben, was die Bedürfnisse des Hundes sind und wie man ihn „artgerecht“ erziehen kann, werden teilweise recht unfaire Mittel angewendet. Eines dieser unfairen Mittel ist die Verwendung von Wörtern wie „Wattebausch“, „Heititei-Fraktion“ oder „Gutmensch“.
Diese Wörter sind, obwohl von ihrer ursprünglichen Bedeutung her eigentlich neutral, heute in bestimmten Kontexten negativ belegt. Wenn man in der Hundeerziehung von Wattebauschmethoden oder Wattebauschtrainern spricht, werden die so betitelten Menschen und Methoden als „zwar gut gemeint“, aber doch auch naiv und weltfremd dargestellt. Ohne näher zu erläutern, was man eigentlich damit meint, wird jeder, der sich z. B. weigert, seinen Hund „mal härter anzufassen“, pauschal als Wattebausch verunglimpft – auch um z. B die eigene Methode, den eigenen Umgang mit dem Hund zu rechtfertigen (siehe Artikelanfang). 
Populistische Nutzung negativ belegter Begriffe
Worte zu nutzen, die eigentlich relativ neutrale, oder sogar von der Urbedeutung her positive Bedeutungen haben und negativ zu belegen ist ein uraltes Stilmittel des Populismus, der letztlich darauf ausgerichtet ist, Mehrheiten zu beeinflussen um eigene Ziele, auch Machtziele, durchzusetzen. Als Beispiel, zum besseren Verständnis könnte man hier z. B., mal ganz weit weg von den Hunden, das Wort „Kopftuch“ nennen. Ohne mich hier auf andere Felder begeben zu wollen, wurde vor nicht allzu langer Zeit dieses Wort in einem Buch sehr populistisch genutzt. Ein deutscher „Zahlenjongleur“ wollte anhand von Statistiken die Zukunft der deutschen Gesellschaft voraussagen und sah diese speziell von diversen Minderheiten bedroht, von denen einige einer Religionsgemeinschaft angehören, wo Frauen manchmal Kopftücher tragen. In diesem Buch wird immer wieder das Wort Kopftusch genannt – und das ist ein klassisches Wort, welches negativ belegt ist. Die Gesellschaft ist in einem bestimmten Kontext negativ auf dieses eigentlich neutrale Wort „konditioniert“. Alles, was letztlich mit diesem Wort in Zusammenhang gebracht wird, wird also auch negativ belegt. Schlicht ausgedrückt – egal welchen Text ich nehme, wenn oft genug „Kopftuch“ genannt wird, wird er negativ belegt. Genauso wie in dem genannten Buch im Zusammenhang mit dem Wort Kopftuch ganze Volksgruppen und Religionen pauschal negativ dargestellt werden – ohne dies direkt zu tun. Das negative belegte Wort stellt den Bezug her. Da ist es ganz egal, ob ggf. die ein oder andere statistische Wahrheit in dem Buch genannt wird. Der Stil ist populistisch, pauschal und nicht differenziert. Auf gut deutsch: Der Stil ist schlecht und einer fairen Auseinandersetzung mit einem Thema nicht würdig. 
Wattebausch schlechter Stil
Ähnlich ist es mit dem Wort Wattebausch. Wie schon erläutert ist es ein Wort, welches negativ belegt ist und denjenigen, der so betitelt wird, letztendlich in ein schlechtes Licht rücken soll.
Übrigens, das Wort wird sehr pauschal benutzt, und meist tatsächlich dafür verwendet, jemanden herabzusetzen, der anderer Meinung ist, als man selbst. Es gibt keinerlei Differenzierung rund um den Begriff. Meiner Meinung nach wird der Begriff heute inflationär genutzt und wenn er eingesetzt wird geht oft jegliche Sachlichkeit verloren.
Selbstverständlich gibt es viele andere Begriffe, die negativ belegt sind und populistisch oder auch in polemischem Kontext genutzt werden. Um im Hundebereich zu bleiben, könnte man hier noch Worte wie „Hardliner“ oder aber ganz harte wie „Tierquäler“ anführen. Die haben aber einen entscheidenden Unterschied zum Wattebausch. Sie sind in Ihrer Aussage klar und im Fall von Tierquäler auch eindeutig beleidigend, auch vor dem Gesetz. Vom psychologischen Sinn her ist Wattebausch aber genauso beleidigend, es soll den Kontrahenten herabwürdigen und bloßstellen. Oft, weil geeignete Argumente fehlen und man so eine sachliche Auseinandersetzung vermeiden, bzw. umgehen möchte. Wenn also jemand in Zusammenhang mit Hundeerziehung andere als „Wattebäusche“ betitelt, ist das ein ganz schlechter Stil. Oder eine Flucht in die Polemik wenn die eigenen Argumente weich wie Watte sind…
Natürlich gehören populistische Elemente und auch Polemik in jede Diskussion, jeder versucht mit ähnlichen psychologischen Mitteln seine Interessen oder Ideologien durchzusetzen. Ein gewisses Niveau sollte man aber nicht unterschreiten. Die Respektlosigkeit des Wattebauschbegriffs unterschreitet meiner Meinung nach aber dieses Niveau – weil es eben fast immer vollkommen undifferenziert und pauschal genutzt wird. 
Versteckter Begriff als Gewinnspiel
Zum Abschluss meines Ausflugs in die menschliche Psyche, möchte ich Sie nach dieser schweren Kost noch zu einem kleinen Gewinnspiel einladen. Wie gesagt, gibt es noch viele weitere negativ belegte Begriffe innerhalb menschlicher Auseinandersetzungen. Und sie gehören zur menschlichen Kultur und Psyche, wenn sie nur nicht so undifferenziert und pauschal genutzt werden, wie der „Wattebausch“. Ich nutze innerhalb dieses Artikels einen Begriff, der negativ belegt ist, der eine populistische Wirkung hat und der von seiner ursprünglichen Bedeutung eher neutral ist. Gemeint sind an dieser Stelle nicht „Kopftuch“ oder „Wattebausch“. Wenn Sie das Wort gefunden haben, tragen sie es in der Kommentarfunktion ein. Der erste Teilnehmer, der das richtige Wort einträgt, bekommt ein Exemplar der aktuellen CANISUND. Viel Spaß bei der Suche.
Und, bitte immer daran denken. Die Wattebauschargumentationen sind meist sehr weich ;-)


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