Abbruchsignale – Von sinnlosen Gräben im Absurdistan der Hundeerziehung…


Kürzlich wurde in einem von mir geschätzten Hundemagazin ein bekannter Hundeexperte zum Thema Abbruchsignale befragt. Die Befragung wurde so aufgebaut, als gäbe es nur Gegner und Befürworter von Abbruchsignalen. Das spiegelt meiner Meinung nach allerdings nicht die Realität wieder. Hundeexperten, die zu 100% Gegner von Abbruchsignalen sind, kenne ich kaum. Von allen Menschen, die mit Hunden arbeiten, schätze ich den Anteil von absoluten Gegnern dieser Signale auf unter 5 %. Ganz ehrlich, niemand kann doch ernsthaft mal auf ein "nein" oder auf ein "lass es" verzichten. Das gehört zum Leben. Von Mensch und Hund und allen sozialen Lebewesen. Wichtig ist dabei nur, dass ein Hund nicht ausschließlich (!) über Abbruchsignale und Verbote erzogen wird, wie das viele noch immer praktizieren.
Abbruchsignale nicht immer mit unfreundlicher Konsequenz gleichsetzen
Und man sollte Abbruchsignale nicht nur als ein Signal mit unfreundlicher Konsequenz bei „nicht befolgen“ assoziieren. Ein Abbruchsignal kann und sollte auch positiv verstärkt werden, wenn der Hund es befolgt und das vom Menschen unerwünschte Verhalten einstellt. Aber Abbruchsignalen nur gut oder böse zuzugestehen, wie es der Kollege in dem genannten Interview praktiziert, ist meiner Meinung nach sehr einseitig. Und pauschal. Zwar werden im Artikel viele Erläuterungen gegeben, denen ich teilweise zustimme, dennoch ist die Herangehensweise in meinen Augen pauschal und schafft nur Gräben, wo eigentlich keine sind, waren oder sein müssten. Vor allem die Art, wie der Kollege an solche Dinge herangeht. Z. B. predigt er seit Jahrzehnten Dinge wie souveräner Führung und dass souveräne und ausgeglichene Leittiere selten rabiat sind. Dennoch meiert er alle ab, die das ähnlich sehen und argumentiert, dass er noch nie Kaniden gesehen hat, die immer ausgeglichen und abgeklärt sind. 
Andere Experten werden „abgemeiert“, selbst wenn sie das Gleiche sagen
Natürlich knallt es in den besten Familien mal - aber der grundsätzliche Umgang bestimmt doch den sozialen Tenor im Ganzen. Oder, zusammengefasst sagt der Experte, dass Leittiere oft ihr "Ding durchziehen" und nicht immer alle anderen beachten. Wenn andere Experten dann dieses "Ding durchziehen" als aktives Ignorieren bezeichnen, redet er wieder dagegen - mit vollkommen merkwürdiger Argumentation, sinngemäß, weil es ja von ihm geklaut sei. Gleiche Aussage, gleicher Sinn - es wird aber dagegen gesprochen, nur weil es von anderen kommt. Alles sehr merkwürdig. Und wenn ich das schon merkwürdig finde, kann man sich vorstellen, wie verwirrend das auf „normale“ Hundehalter wirken muss und welche unnötigen Gräben aufgeworfen werden. Dass man mich nicht falsch versteht, im Prinzip schätze ich den Kollegen, weil er grundlegende Erkenntnisse geliefert hat die die Sicht der Hundehalter teilweise grundlegend revolutioniert haben - allerdings halte ich dieses "Gegen alles sein", selbst wenn es ursprünglich von ihm kommt, für sehr nervend. Und für den sowieso schon verwirrten Hundehalter nicht hilfreich...
Immer nur „gegeneinander“ führt nach Absurdistan
Warum ich dieses Beispiel hier nenne? Einfach aus dem Grund, weil es recht eindeutig zeigt, wie heute die menschliche Szene rund um Hunde funktioniert. Aus absurdesten Streitereien unter den Experten, die sich anscheinend selbst im Dschungel der Interpretationsmöglichkeiten rund um das Hundeverhalten verirrt haben. Es wird eine künstliche Kluft aufgebaut, ob es nun Sinn macht einem Hund ein Signal zu geben damit er eine Handlung abbricht. Und das Thema wird so übertrieben dargestellt, als gäbe es nur schwarz und weiß. Symptomatisch für die Hundeexpertenwelt ist auch, wie vorher schon im Beispiel aufgezeigt, dass nur das eigene Wort als richtig und wichtig interpretiert wird. Sagt jemand exakt das Gleiche und gehört aber nicht dem entsprechenden „Lager“ an, wird es wieder schlecht geredet. Kann es denn nicht möglich sein, dass sich die so genannten Hundeexperten mal am Riemen reißen, eigene Eitelkeiten hinten anstellen und mal nach Gemeinsamkeiten suchen? Nicht immer nur „dafür“ oder „dagegen“ sein? Ist das wirklich so schwer? Ich persönlich bin eigentlich immer auf der Suche nach Gemeinsamkeiten – allerdings gibt es „Kollegen“, wie einen speziellen Amerikaner, der Hunde oft dermaßen brutal behandelt, dass es durch nichts mehr zu rechtfertigen ist. Und Hund und Katze z. B. mittels eines Teltaktgeräts vergesellschaften möchte, so lange bis der Hund ein gebrochenes Wrack ist. Oder Hunde bis zur Bewusstlosigkeit würgt. (Hier ein interessanter Artikel zu dem Thema: http://www.psychologytoday.com/blog/animal-emotions/201204/did-cesar-millan-have-hang-the-husky).   Mit solch einem Menschen wie dem besagten Amerikaner kann ich keine Gemeinsamkeiten haben. 
Zurück zum Hund
Aber insgesamt bin ich der Meinung, sollte es doch möglich sein, nach Gemeinsamkeiten zu suchen und diese ewige Grabenschaufelei mal zu beenden.
Aber leider bin ich inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass diese absurden Streitigkeiten und Eitelkeiten schwer zu kitten sind. Die „Hundeszene“ in Deutschland ist absurd – wie anhand der Abbruchsignaldebatte schon erläutert. Die Szene ist ein reines Absurdistan. Ich denke, wir müssen raus. Raus aus diesem Absurdistan. Und zurück. Zurück zum Hund, den wir schon lange in den sinnlosen Streitereien verloren haben…__________________________________________________________________________
Thema Strafe / Abbruchsignale in meinem neuen Buch „Herz, Hirn, Hund“. Wie ja  inzwischen bekannt ist, beschäftigt sich das Buch mit den Sichtweisen verschiedener Experten zum Thema Hundeerziehung. Hier einige Zitate von mir und von den Kollegen zum Thema Abbruchsignale. Man sieht daran deutlich, dass die Meinungen unterschiedlich sind, es aber auch Gemeinsamkeiten gibt und man nicht immer nur gegeneinander sein muss – wie das Buch beweist. 
Hier die Zitate:
Ich schreibe z. B. zum Thema Bestrafung, Abbruchsignale: (Auszug)
Das Thema Bestrafung wird unter Trainern heiß diskutiert. Während die einen behaupten, jede Form der Strafe sei tierschutzrelevant und deshalb abzulehnen, sehen andere überhaupt kein Problem darin, über Strafe, auch in Form von schmerzhafter Einwirkung, zu arbeiten und propagieren sogar, nur über Strafe abgesicherte Kommandos würden wirklich zuverlässig vom Hund ausgeführt, da dieser sich vor der Konsequenz fürchtet, die ihm droht, wenn er sie nicht befolgt. Deshalb müsse die Strafe auch schmerzhaft bis traumatisch ausfallen, damit sie richtig wirke. Auch wenn ich dieser Meinung keinesfalls zustimme, bin ich der Ansicht, dass ein richtig gesetzter Strafreiz wertvolle Dienste in der Hundeerziehung leisten kann. Bevor sich mancher Leser nun aufregt und glaubt, so ganz gewaltfrei würde ich also doch nicht arbeiten und an dieser Stelle des Buches habe man mich entlarvt, möchte ich genauer erklären, worum es mir geht, denn selbstverständlich verstehe ich unter Strafe keinesfalls körperliche Schmerzeinwirkung oder das Auslösen psychischer Traumata! Wenn man aber Strafe richtig dosiert und im verhaltensbiologischen Kontext einsetzt, ist sie nichts weiter als eine Möglichkeit des Lernens. Und lernen muss ein Hund, weil er eben nicht nur über Instinkte und Triebe gesteuert wird. 

Die Kollegen, die mitgewirkt haben, schreiben z. B.:(Auszüge): 

Zitat 1:

Ich arbeite beispielsweise mit Umlenkgeräuschen, um die Aufmerksamkeit des Hundes auf mich zu richten, statt beispielsweiseLeute anzuspringen, oder bringe dem Hund bei sich hinzusetzen, statt Autos zu jagen. Selbst das Signal, mit dem der Hund nichts vom Boden aufnehmen soll, wird nicht als strenges Abbruchsigna eintrainiert, sondern der Hund lernt, sich auf ein bestimmtes Wort hin an mich zu wenden und dafür gibt es die Belohnung. 

Zitat 2:

Mir begegnen ständig Hunde, die mit Nachnamen „Nein!“ oder „Lass es!“ heißen – und deren Zusammenleben mit ihren Menschen durch Abbruchsignale (die dabei häufig inflationär und wenig wirkungsvoll eingesetzt werden) regelrecht geprägt zu sein scheint. Das ist für beide Seiten – Hund wie Mensch – letztendlich sehr nervig und anstrengend.Der Mensch ärgert sich über seinen Hund,für den Hund wird der Mensch zur ständigen Spaßbremse oder sogar zum Stressor. Und: Aus Hundesicht ist der Lerneffekt gering, denn das Abbruchsignal allein liefert keinerlei Information, was denn anstelle des unerwünschten Verhaltens zu tun ist.

Zitat 3:

Jedes zuverlässig auf Signal auflösbare Verhalten bricht das vorherige Verhalten ab. Aus diesem Grund fokussiere ich nicht auf Abbruchsignale, die auf Schreck, Bedrohung und Schmerz beruhen –sie sind meist überflüssig. Verhalten, welches mit sorgfältig durch positive Verstärkung aufgebautem und auslösbarem Verhalten unterbrochen wird, kann mit diesem als Verhaltenskette verknüpft werden; davor haben viele TrainerInnen Angst. 

Zitat 4:

Ich bin gar kein großer Fan von Abbruchsignalen und arbeite nur sehr selten mit ihnen. Wenn ich sie überhaupt einsetze, dann nur für ein ganz bestimmtes Verhalten, nämlich das Aufnehmen und Fressen von Essbarem, und niemals gekoppelt mit Geräuschen, die sich beim Hund schnell generalisieren, wenn sie mit Angst oder Frustration verbunden sind. In der Regel halte ich aber mehr davon, dem Hund beizubringen, was er tun soll, statt was er nicht tun soll. Hierzu gehört zum Beispiel auch, vorausschauend Alternativverhalten einzuleiten, bevor der Hund eine unerwünschte Handlung zeigt.


Wie die Ausführungen weitergehen, von wem die einzelnen Zitate sind und was die weiteren Kolleginnen und Kollegen sagen. Das alles finden Sie im Buch. Wenn sie möchten, können Sie es unter folgenden Links bestellen. Die Werbung sei mir erlaubt ;-)






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