Die Bindung zwischen Mensch und Hund
Das Wort Bindung kann man sicher als eines der Schlagworte
im Bereich Hundeerziehung in den letzten Jahren sehen. Wie bei allen Themen
rund um den Hund wird auch dieser Begriff unterschiedlich definiert und
für die jeweilige Philosophie passend interpretiert. Vor allem die
Herstellung einer Bindung zwischen Mensch und Hund wird kontrovers diskutiert.
Bindung als enge soziale Beziehung
Lassen Sie uns zu Beginn erst einmal versuchen, eine zumindest
annähernd allgemeingültige Definition zu finden. Grundsätzlich kann man eine
Bindung als enge soziale Beziehung zwischen Lebewesen sehen, die von intensiven
Gefühlen geprägt ist. Das heißt, man fürchtet sich davor den Bindungspartner zu
verlieren und vermeidet mit diesem ernsthafte Konflikte, weil diese in der
speziellen Konstellation, dem Bindungsverhältnis, unangenehme Gefühle
hervorrufen würden. Je enger die Bindung, je intensiver die Gefühle.
Wenn wir heute von Bindung im Allgemeinen sprechen geht die
Annahme der engen und von intensiven Gefühlen geprägten Beziehung im
zwischenmenschlichen Bereich von der Bindungstheorie aus, die im Wesentlichen
vom Kinderpsychiater James Bowlty, dem Psychoanalytiker James Robertsen und der
Psychologin Mary Ainsworth in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entwickelt
wurde. Die Bindungstheorie verbindet verschiedene Bereiche der Ethologie und
Psychologie und sieht ihre Grundlagen in der Emotionalität der
Mutter-Kind-Beziehung, die auf einer von Geborgenheit und Sicherheit
gekennzeichneten Gefühlslage beruht. Ein für das Kind lebensnotwendiges System.
Menschliche Bindungstheorie auf Mensch und Hund
übertragen
Auf Grundlage dieser Bindungstheorie haben Wissenschaftler
aus der Hundeforschung Verbindungen zu der engen sozialen Beziehung zwischen
Mensch und Hund gezogen. Kurz umrissen könnte man die starke
Bindungsbereitschaft des Hundes an den Menschen dadurch begründen, dass die
früh von der Mutter entnommenen Welpen ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz
in ihrer frühen Entwicklungsstufe als Welpe ersatzweise beim Menschen finden
und sich deshalb an ihn binden. Interessant dabei ist allerdings, dass dieses
starke Bindungsverhalten ihrer Mutter gegenüber ja mit dem Erwachsen werden
abnimmt, die Bindung, diese Sehnsucht nach Geborgenheit und Schutz und die
Abhängigkeit von dem, der diesen Schutz bietet. Im Gegensatz zur natürlichen
Bindung zur Mutter bindet sich der Hund demnach ein Leben lang an den Menschen,
sucht seinen Schutz. Und durch den Schutz beim Menschen fühlt er sich sicher,
hat weniger Ängste und somit auch weniger Aggressionen. Nun, wie bei allen
Theorien kann man sicher auch diese aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
Halten wir aber fest, dass man unter Bindung im Allgemeinen das enge,
vertrauensvolle Verhältnis des Hundes zum Menschen versteht. Und tatsächlich,
sicher wird mir eine große Mehrheit der Hundebesitzer zustimmen, wenn ich
feststelle, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Hund etwas Besonderes sein
kann und Hunde meist eine engere Bindung zu uns Menschen haben, als zu ihren
Artgenossen. Tatsächlich so etwas wie eine Eltern-Kind Beziehung.
Ich betone extra das es sich um „so etwas“ wie eine
Eltern-Kind-Beziehung handelt. Wirklich ernsthaft definieren kann man es nicht.
Fest steht, wie vorher schon erwähnt, dass die Beziehung zwischen Menschen und
Hunden viele besondere Merkmale aufweist und die meisten Hunde sich gerne
Menschen anschließen und auch in den meisten Fällen gerne freiwillig bei diesen
bleiben. Wenn diese Menschen ein zuverlässiges Verhalten zeigen (siehe Tipps).
Hundeartige und andere Arten
Diese Bereitschaft, enge soziale Beziehungen einzugehen –
sogar engere als zu den eigenen Artgenossen – hat sicher viele Gründe.
Grundsätzlich sind viele wilde Verwandte der Haushunde, Vertreter der so
genannten Tierfamilie „Hundeartige“ generell bereit, andere Arten in Ihrem
Umfeld zu dulden oder sogar so etwas wie Beziehungen zu diesen aufzubauen. So
kann man selbst in unserer heimischen Natur Füchse (Hundeartige) dabei
beobachten, wie sie sich Bauanlagen mit Dachsen oder Kaninchen (!) teilen.
Eigentlich paradox, weil Kaninchen ja Beutetiere sind. Die Kaninchen im
direkten Umfeld werden aber nicht zur Beute. In Nordamerika wird manchmal
beobachtet, dass Kojoten mit Dachsen umherziehen, um Nahrung abzustauben, wenn
die Dachse z. B. bei der Nahrungssuche graben und Nagetiere aufscheuchen. Oder
Wolfsfamilien, denen sich manchmal Raben anschließen. In erster Linie aus dem
Grund, weil die Raben auf Beutereste der Wölfe spekulieren. Es wurde aber schon
beobachtet, dass Raben und Wölfe in spielerische Interaktion treten und sehr
häufig immer die gleichen Raben mit „ihren“ Wölfen so etwas wie eine soziale
Gruppierung bilden. Warum ganz genau das so ist, weiß man nicht wirklich. Zu
beobachten ist aber, dass unter bestimmten Umständen Hundeartige bereit sind,
artfremde Individuen in ihr Umfeld zu integrieren. Natürlich hat das meist
pragmatische Gründe. Kaninchen helfen den im Punkt „graben“ eher faulen Füchsen
ein gemütliches Heim bereitzustellen. Kojoten stauben gern mal beim Dachs ab
und Wölfe schätzen vermutlich die Sicherheit, die durch Raben vermittelt wird,
die im Baum sitzend gern sich nähernde Gefahren lautstark ankündigen.
Toleranz gegen andere Arten als Grundlage der
Domestikation?
Einige Experten gehen aufgrund dieser Bereitschaft von
Hundeartigen, die Fähigkeiten von anderen Arten für sich zu nutzen davon aus,
dass dies einer der Hauptgründe dafür war, dass sich einst Wölfe dem Menschen
anschlossen. Im Laufe der Jahrtausende machte sich dann auch der Mensch die
Eigenschaften des Jägers und Wächters Wolf zu Nutze und selektierte irgendwann
gezielt Eigenschaften und Individuen, die unterschiedlichsten Nutzen für den
Mensch hatten. Diese Anpassung des Wolfes an den Lebensraum beim Menschen
bezeichnet man als Domestikation. Die gezielte Domestikation durch den Menschen
führte dazu, dass alle Eigenschaften, die irgendwie nützlich für den Menschen
sind, verstärkt wurden. Und da im Besonderen auch die Eigenschaft der
Hundeartigen, soziale Gruppierungen mit anderen Arten einzugehen. Und innerhalb
der langen Zeit, der langen Domestikation und Selektion ist die Bereitschaft
des Hundes sich speziell an Menschen anzuschließen und zu binden inzwischen
tief im Erbgut aller Hunde verankert. Der Mensch ist diejenige Art, die ein
Heim liefert, Sicherheit und Nahrung. Die die Existenz sichert und dem Hund
Ressourcen (wie eben Nahrung) zur Verfügung stellt. Verankert im Erbgut ist
also, dass der Mensch wichtig für das Überleben ist. Artgenossen aber nicht –
die verbrauchen ja die gleichen Ressourcen und sind eher Konkurrenten.
Natürlich braucht man auch die, z. B. zur Arterhaltung. Das ganz besondere
Verhältnis zum Menschen birgt aber bei der Betrachtung der Logik der Allianz
aus Hundesicht, individuell mehr Vor- als Nachteile.
Bindung nicht einheitlich zu definieren
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass es viele
Thesen und Theorien gibt, warum der Hund sich gerne an Menschen bindet und das
Verhältnis von Hunden zu „ihren“ Menschen oft sehr innig, vertraut und eben
„besonders“ ist. Der wahre Grund für diese starke Bereitschaft zur engen
Beziehung mit dem Menschen ist vermutlich, wie so oft, eine Mischung aus allen
Thesen und Theorien. Fakt ist jedenfalls, dass die meisten Hunde sich gern an
Menschen binden und mit diesen zusammenleben – oder zumindest in deren Nähe leben.
Wenn man das ganz nüchtern betrachtet wohl auf eine Anpassung des gegenseitigen
Nutzens zurückführen kann, darf man den emotionalen Charakter dieser Beziehung
nicht vergessen. Auch wenn das oft als „vermenschlichend“ gescholten wird. Aber
es ist keineswegs vermenschlichend. Heute weiß man, dass sich die Emotionalität
von Mensch und Hund durchaus ähnelt. Und diese Emotionen letztlich so etwas wie
ein Verbindungsglied, ein Klebstoff einer Beziehung sind. Nüchtern betrachtet.
Emotionalität in der Mensch / Hundebeziehung, in der Bindung aneinander ist
also etwas sinnvolles, wovon beide Arten wieder profitieren.
Menschen und Hunde sind also mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit von Geburt an bereit, eine jeweils enge Bindung miteinander
einzugehen. Eine Ergebnis der Domestikation und der langen Anpassung
aneinander. Was allerdings nicht heißt, dass jeder Hund zwingend einen Menschen
braucht und jeder Mensch Hunde. Es gibt unzählige Hunde auf der Welt, die
allein klarkommen – dass Hunde ohne Menschen nicht überlebensfähig wären halte
ich schlicht für ein Märchen. Ich denke eher, dass sie eine der
anpassungsfähigsten Arten überhaupt sind… Und ich habe sogar schon von Menschen
gehört, die ohne Hund leben sollen, und auch irgendwie mit ihrem Leben
„klarkommen“ ;-)
Gut, aber dass Hunde und Menschen im Allgemeinen gern eine
enge Beziehung miteinander eingehen, wenn es denn möglich und erwünscht ist,
steht außer Frage. Damit die Bindung vom Hund speziell an seinen Mensch sehr
eng wird, sollten Hundehalter einige Punkte beachten (siehe Tipps). Dann beruht
die Beziehung auf guten Gefühlen, man bindet sich emotional stark an den
anderen. Auf keinen Fall sollte man allerdings Zwangsbindungen,
Zwangsbeziehungen mit seinem Hund anstreben (Tipps). Bindungen, die auf Zwang
beruhen, „funktionieren“ sogar oft. Aber dann mehr aus Angst und Hilflosigkeit
– und oft aus Abhängigkeit. Hunde die schlecht behandelt werden sind auch oft
ihren Haltern treu ergeben – was man aber psychologisch mit dem
Stockholm-Syndrom beim Menschen vergleichen kann. Abhängige, verängstigte
Geiseln solidarisieren sich mit ihren Peinigern und kooperieren letztlich mit
Ihnen. Ich denke, da sind sich alle verantwortungsbewussten Hundehalter einig,
dass man so etwas nicht möchte. Die Bindung zu unserem Hund sollte schon
emotional sein. Aber von schönen und angenehmen Emotionen gekennzeichnet. Denn
die sind, wie vorher schon erwähnt, immer noch der beste Klebstoff für eine
enge Bindung. Damit der Hund gerne in meiner Nähe ist…
>>>TIPPS<<<
Vertrauensvolle und freiwillige Bindung – so kann man
daran „arbeiten“
Ein Hund bindet sich gern an jemanden, dem er Vertrauen
kann, der ihm Sicherheit bietet. Wenn er sich beim Menschen wohl fühlt, dann
ist er bereit, sich an diesen zu binden, gern zu ihm zu kommen und bei ihm zu
bleiben. Er bindet sich freiwillig an ihn. Einige der folgenden Anregungen
helfen, diese vertrauensvolle Bindung zu erreichen:
- Hunde
lieben klare Strukturen im Tagesablauf. Geregelte Spaziergänge,
Fütterungszeiten, Beschäftigung und vor allem entspannte, ausgiebige
Ruhezeiten. Wer ihm ein strukturiertes Umfeld bietet, verleiht Sicherheit.
- Der
Mensch muss im Umgang, in der Interaktion mit dem Hund berechenbar sein. Das
heißt, er sollte mit dem Hund so interagieren, dass es für den Hund logisch und
nachvollziehbar ist. Ein Beispiel: Wenn ein Hund weggelaufen ist und der
Besitzer verärgert ist. Dann sollte der Hund nicht ausgeschimpft werden, wenn
er zurückkommt. Er verknüpft das Ausschimpfen dann mit dem Zurückkommen,
versteht nicht warum er Probleme beim Zurückkommen bekommt. Die Berechenbarkeit
des Menschen leidet und somit auch die Vertrauenswürdigkeit – und somit die
Bindung. In solch einer Situation dann besser einfach ruhig und gelassen
bleiben. Und den Rückruf später in ruhiger Umgebung und ruhiger Gemütslage
üben.
- Bei
sozialen Lebewesen wird bei sanfter körperlicher Berührung, bei körperlicher
Nähe ein spezielles Hormon (Oxytocin) ausgeschüttet, welches ein Wohlgefühl und
Entspannung auslöst. Voraussetzung ist eine Freiwilligkeit der Nähe und
Berührung. Bieten Sie also ihrem Hund einfach mehrmals täglich die Nähe an.
Setzen Sie sich z. B. einfach auf den Boden. Kommt der Hund dann zu Ihnen –
einfach streicheln, Nähe geben. Solange, bis einer den Spaß verliert – was dann
alle Beteiligten akzeptieren sollten.
- Beschäftigen
sie sich mit der Körpersprache und den Ausdrucksmöglichkeiten des Hundes. Wenn
der Hund Ihnen durch bestimmte Signale (z. B. Kopf abwenden und sich selbst die
Schnauze intensiv lecken) sagt, dass ihm eine Situation unangenehm ist
(vielleicht am Kopf streicheln), dann akzeptieren Sie das und streicheln nicht
am Kopf. Sie vermitteln dem Hund, dass seine Signale verstanden werden, was
wieder Sicherheit und Vertrauen – also Bindung, fördert.
Bindungen über Zwang und Gewalt?
- Wenn
man Gewalt gegen einen Hund ausübt, wenn man ihn z. B. ständig mit unangenehmen
Konsequenzen für Verhalten konfrontiert und er nie positive Konsequenzen wie
freundliche Ansprache oder Belohnungen für Verhalten erhält, wird er unsicher
und hilflos. Er fügt sich dann ggf. in seine Lebensumstände und „gehorcht“
seinen Menschen. Das hat aber wenig mit freiwilliger Bindung zu tun.
- Es
kann allerdings auch sein, dass ein Hund, der mit Gewalt und Zwang gehalten
und/oder erzogen wird, eine Lösung für das Problem sucht. Er könnte aggressiv
werden oder auch den Wunsch verspüren, bei passender Gelegenheit abzuwandern.
Er wird also jede Gelegenheit nutzen, wegzulaufen.
- Zudem
sind Hunde bei einer vorher beschriebenen „Haltung“ dauerhaft gestresst,
der Körper ist ständig in einer Art Alarmbereitschaft. Das belastet den Körper
und auch das Verhalten stark. Gesundheitliche und psychische Probleme können
die Folge sein.