Gastartikel: Von panischen Leinen-Klammerern und gedankenlosen Freilauf-Freunden
Heute möchte ich Ihnen einmal einen Gastartikel vorstellen. Gastartikel werde ich in Zukunft in unregelmäßigen Abständen im BLOG veröffentlichen, um auch mal andere "zu Wort" kommen zu lassen ;-) Ich wünsche viel Spaß beim Lesen des Artikels von Gastautorin Carolin Schulz-Osterloh:
Von panischen Leinen-Klammerern und gedankenlosen Freilauf-Freunden
Der gemeinsame Spaziergang mit dem Hund im Park – von einigen geliebt, von anderen gefürchtet. Denn in fast jedem Park gibt es etwas, das die ortsansässigen Hundebesitzer in zwei Lager spaltet: Der Umgang mit der Leine. Während die einen die Leine am Hals des Hundes haben, haben die anderen sie eigentlich immer nur locker wie einen Schal um den eigenen Nacken geschwungen.
„Siehst du den da drüben? Der lässt seinen armen Hund nie von der Leine!“ wird in der Gruppe der „schal“tragenden Freilauf-Freunde über den auch nach Jahren noch Unbekannten gelästert, der immer in großem Abstand vorbeihetzt und schnell eine andere Richtung einschlägt.
Denn die Freilauf-Freunde wollen vor allem eins: Dass ihr Hund sich richtig austobt, damit er zu Hause auch brav schläft. Dagegen ist auch grundsätzlich überhaupt nichts einzuwenden, ein gut erzogener und sozialisierter Hund soll rennen und mit Artgenossen spielen können. Doch gehört dazu auch ein Mensch, der ein Auge auf seinen Hund hat und kompetent ist, brenzlige Situationen rechtzeitig zu erkennen und zu entschärfen, indem er seinen Hund abruft.
Und das hat bei Weitem leider nicht jeder Freilauf-Freund drauf. Eine relativ große Untergruppe der Freilauf-Freunde bilden nämlich die gedankenlosen Freilauf-Freunde, die ihren Hund überall hinlaufen lassen, wo er gerade Lust zu hat – auch zu Leinenführern, von denen einige deshalb in kürzester Zeit zu panischen Leinen-Klammerern mutieren oder zumindest von den anderen als solche angesehen werden.
Denn was dem gedankenlosen Freilauf-Freund leider oft fehlt, ist die Erkenntnis, dass der in seinen Augen panische Leinenklammerer in den meisten Fällen vermutlich einen guten Grund hat, warum er seinen Hund an der Leine führt. Und in manchen Fällen wird der Grund ein Aggressionsverhalten des Hundes und/oder große Angst vor heranstürmenden Artgenossen sein.
Es sind auch noch unzählige andere gute Gründe denkbar wie eine Krankheit oder eine kürzliche Operation des Hundes. Es könnte auch noch banaler sein: Obwohl der Hund schon ausgewachsen ist, besteht im Zeitalter der importieren Straßenhunde ja auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Hund noch nicht so lange bei seinem neuen Besitzer ist oder einfach zum Weglaufen neigt, weil er den ersten Teil seines Lebens draußen gelebt hat.
„Nun ja“, mögen nun die gedankenlosen Freilauf-Freunde sagen, „dann besteht ja zumindest im letzten Fall kein Grund, meinen Hund nicht hinlaufen zu lassen.“ Aber auch hier gilt: Die einfache Frage an den Besitzer, ob ein Kontakt möglich ist, ist eine Frage der Sicherheit und des Respekts. Denn einerseits kann man dem Hund nicht ansehen, was der Grund für das Führen an der Leine ist und andererseits kann auch ein ausgelassen spielender Hund am anderen Ende der Leine schon mal für Probleme sorgen, wenn Herrchen oder Frauchen auf den Kontakt nicht wirklich vorbereitet waren.
Gerade größere und schwerere Hunde, die von einem Spielpartner überrascht werden und im Vollgas die Verfolgung aufnehmen, können den Halter schon mal den Bodenkontakt kosten oder auch für einen Hexenschuss sorgen. Wegschauende Freilauf-Freunde sind dabei genauso wenig hilfreich wie lachende oder sogar auch noch Stöckchen-werfende.
Mit Sicherheit gibt es noch zahlreiche weitere gute Gründe, die einen angeblichen oder tatsächlichen panischen Leinenklammerer vorübergehend oder dauerhaft zur Leine greifen lassen.
An dieser Stelle sei allerdings auch nicht vergessen, dass es tatsächlich leider auch Leute gibt, die keinen guten Grund haben, ihren Hund dauerhaft an der Leine zu führen. Aber die sind zum Glück vermutlich in der Minderzahl und deshalb sollte man als Freilauf-Freund nicht davon ausgehen, immer nur auf solche Exemplare zu treffen.
Der Weg vom gedankenlosen zum verantwortungsbewussten Freilauf-Freund ist eigentlich gar nicht so weit, sobald die Bereitschaft zur Wandlung vorhanden ist. Grundvoraussetzung ist natürlich erst einmal ein Hund, der gut erzogen und somit in allen Situationen abrufbar ist.
Leider ist das Fehlen einer solchen Erziehung an sich schon oft der Hauptgrund, warum gedankenlose Freilauf-Freunde ihrem Hund alles durchgehen lassen: Sie sparen sich einfach die Blamage, dass ihr Hund sie ohnehin ignorieren würde, wenn sie ihn rufen. Dass dies ein beachtliches Sicherheitsrisiko in vielerlei Hinsicht darstellt, muss wohl nicht extra betont werden.
Der nächste Schritt zum verantwortungsbewussten Freilauf-Freund ist dann eigentlich nur noch, ein Auge auf seinen Hund zu haben und ihn bei entgegenkommenden Hunden erst mal zu sich zu rufen, bis man mit dem Besitzer abklären konnte, ob irgendetwas gegen einen Kontakt der Hunde spricht. Besonders, wenn der Entgegenkommende seinen Hund an der Leine hat. Denn seine Möglichkeiten, ein Aufeinandertreffen zu verhindern, sind relativ begrenzt.
Allerdings gibt es auch ein paar Verhaltensweisen, die in Situationen helfen können, in denen sich ein Hund unkontrolliert oder vielleicht sogar unbeaufsichtigt nähert.
In erste Linie ist es sehr wichtig, vom panischen Leinenklammerer zu einem ausgeglichenen, selbstbewussten Leinenführer zu werden. Hunde haben sehr feine Antennen für die Stimmungen ihrer Besitzer. Merken sie, dass dieser sich verkrampft und Angst hat, wird auch der Hund unsicher und schneller aggressiv reagieren, weil er eventuell sogar das Gefühl hat, sein Herrchen oder Frauchen verteidigen zu müssen. Ähnlich verhält es sich, wenn der Besitzer wütend wird und flucht. Dann wird sein Hund ihm bei der Vertreibung des ungebetenen Besuchs behilflich sein wollen.
Ein Besitzer dagegen, der die Ruhe bewahrt und seinem Hund das Gefühl vermittelt, dass er die Situation im Griff hat und der Hund sie nicht regeln muss, kann so manche brenzlige Situation entspannen. Hat der eigene Hund Angst vor dem herannahenden Artgenossen, kann man souverän und bestimmt zwischen den eigenen und den kommenden Hund treten und diesen so zum Abdrehen bringen oder zumindest etwas auf Abstand halten.
Ist der eigene Hund dagegen (zu sehr/auf aggressive Weise) am Kontakt mit dem Herannahenden interessiert, hilft es nur, mit dem eigenen Hund ein Ersatzverhalten wie „Bei Fuß“ zu trainieren. Dabei kann es auch noch hilfreich sein, nicht frontal weiter auf den anderen Hund zuzugehen, sondern einen Bogen zu laufen. Für Hunde ist dies das Signal einer freundlichen Annäherung.
Man sollte jedoch auch nie vergessen, dass niemals alle Hundekontakte gänzlich umgangen werden sollten. Für einen Hund ist das Zusammentreffen mit seinen Artgenossen wichtig und er sollte auf keinen Fall das Gefühl bekommen, dass alle anderen Hunde eine Bedrohung darstellen.
Dabei kann man dann vielleicht auch selbst mit dem ein oder anderen gedankenlosen Freilauf-Freund ins Gespräch kommen und ihm die eigene Lage erklären. Denn Wissen schafft oft auch Verständnis.