Mal ein Dankeschön an einen alten Freund…

Fast neun Jahre ist es her, als Du bei mir einzogst. Du hattest in Deinem jungen Leben schon viel erlebt. Menschen hatten Dich geschlagen und getreten. Und als sie Deiner überdrüssig waren, haben sie Dich in irgendeinem Treppenhaus angebunden und allein gelassen. Du bliebst zurück mit schlecht verheilten Knochenbrüchen, mit Narben an Deinem Körper und Deiner Seele.
In der Zeit ergab es sich, dass ich einen neuen Hund suchte, dem ich ein Heim geben durfte. So fand ich Dich in einem Tierheim und wir beiden kamen zusammen. Auch ich war zu dem Zeitpunkt mit Problemen behaftet, meine Lebenssituation war nicht optimal. Wir waren also beide in irgendeiner Form „angeschlagen“ – was zur Folge hatte, dass wir auf unglaubliche Weise zusammengewachsen sind, weil wir uns gegenseitig stützen und aufbauen konnten. Ich konnte Dir dabei helfen, wieder etwas mehr Vertrauen zu Menschen zu bekommen und Dir zu zeigen, dass nicht alle Menschen schlecht sind und nur nach Dir treten wollen. Zudem konnte ich die gesundheitlichen Probleme, die Dir Deine Beinbrüche durch Arthrosen als Folgeerkrankungen einbrachten, lindern. Gezielte Medikamentengabe, aber vor allem auch physiotherapeutische Anwendungen, die ich bei Dir „ausprobierte“ und es bis heute mit großer Hingabe mache, verstärkten unsere Bindung ungemein. Ich habe versucht, Deinen Schmerz und Deine Wut zu lindern. Was meine Pflicht als Mensch ist, bei dem, was meine Artgenossen Dir angetan haben.
Aber andersherum ist das, was Du für mich getan hast, nicht selbstverständlich. Immer, wenn ich ein Problem habe, wenn ich mich aus irgendeinem Grund schlecht fühle, bist Du da. Auch wenn ich das nicht bewusst äußere. Fast immer, wenn ich traurig, wütend oder einfach nur „schlecht drauf“ bin und Du in meiner Nähe bist, spüre ich plötzlich einen Druck an meinen Beinen. Das bist Du, der sich mit seinem Körper an mich lehnt und einfach nur da ist und mir seine Nähe anbietet. Dann wird ausgiebig gestreichelt und geknuddelt und schon fühle ich mich besser. Es ist ganz erstaunlich, welche emphatischen Fähigkeiten Du hast.
Übrigens, Empathie hat nichts mit Hokuspokus zu tun, sondern ist ganz einfach die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und emotionale Hilfe zu geben, wenn nötig. Du weißt immer, wann ich emotionale Hilfe benötige, ganz ohne bitten von mir. Aber auch ich weiß sofort, wenn mit Dir etwas nicht stimmt und biete Dir meine Hilfe an, so gut ich kann. Aber zugegeben, du kannst es besser, subtiler und erfolgreicher… Irgendwie sind wir beide außergewöhnlich zusammengewachsen, vermutlich durch die Umstände unserer Zusammenkunft, einer emotional labilen Zeit in unser beider Leben.
An dieser Stelle möchte ich natürlich alle anderen Hunde, mit denen ich je mein Leben teilen durfte und teilen darf auch erwähnen. Ihr alle seid ein wichtiger Teil meiner Existenz und auch Euch gebührt ein großes Dankeschön. Ihr werdet auch alle noch mit Worten von mir bedacht, versprochen. Doch hier möchte ich meinen guten alten Freund, den Schäferhund/Yorkshire-Terrier Mix Puzzel in den Fokus stellen, weil mich ein Ereignis in der letzten Woche sehr melancholisch machte.
Doch dazu etwas später, erst noch etwas zu Dir an sich. Aufgrund Deiner Vergangenheit, der Gewalt die Dir von Menschen angetan wurde, warst und bist Du sicher ein Hund, der für außenstehende Menschen seine „Macken“ hat. Z. B. hast Du, aufgrund der Tritte Deiner Vorbesitzer, eine Strategie gegen Tritte entwickelt. So neigst Du dazu, in Füße zu beißen, wenn sich diese Dir in hektischer Weise nähern.  Angriff ist die beste Verteidigung. Das war und ist auch heute in unkontrollierten Situationen so, wenn Deine Erinnerungen Dich einholen, Dein Weg die vermeintliche Gefahr abzuwenden.
Dieses „in die Füße zwicken“ hätten sicher viele Kollegen mit dem Wurf einer Rappeldose oder Kette unterbunden, um Dir Angst zu machen. Auf die Idee bin ich niemals im Ansatz gekommen. Wie kann ich ein Tier, welches so durch Menschen traumatisiert wurde, noch tiefer traumatisieren? Ich jedenfalls kann einem Lebewesen, welches ungefragt immer für mich da ist und mir unglaubliche emotionale Unterstützung gibt, wenn ich diese brauche, nicht mit Ketten oder anderem Unsinn bewerfen. Puzzel und ich haben einen anderen Weg gefunden, der meist ;-) gut funktioniert. Lässt er die Füße von Besuchern in Ruhe und begibt sich auf seinen Platz, bekommt er seinen Lieblingsgummiknochen. Das funktioniert letztlich dadurch ganz gut, weil er gelernt hat, dass Besucher im Prinzip nicht böse sind, sondern diese mit seinem Knochen (also etwas für ihn Positiven) verknüpft. Bricht seine tiefsitzende Wut und sein Frust doch einmal wieder aus, kann er aber den „Dampf“ ablassen, indem er auf dem Gummiknochen herumkaut und so die Wut kompensiert.
Aber das nur am Rande. Was mich dazu brachte, diese Zeilen zu schreiben, war, das mein Kumpel Puzzel in der letzten Woche eine Tumor-OP hatte. Ihm wurde ein Tumor aus der Schnauze entfernt, der sich nach späterer Laboruntersuchung als bösartig herausstellte. Zwar sagte unser Tierarzt, dass der Tumor vollständig entfernt wurde und mit einem erneuten Ausbruch erst in viel späterer Zeit zu rechnen sei. Und da Puzzel 14 Jahre alt ist, die Wahrscheinlichkeiten auf gesundheitliche Probleme durch diesen Tumor eher niedrig sind. Doch leider rückten mir diese Umstände die Endlichkeit des Lebens vor Augen. Ob es nun der Tumor oder das Alter ist – eins ist sicher. Ewig werden wir nicht mehr zusammen sein können. Aber es steht auch fest, wir werden jede Sekunde genießen…
Es gibt übrigens Menschen, die sagen, dass Hunde nicht die Freunde von Menschen sein können. Sollen die sagen, was sie wollen. Puzzel, Du bist meine Freund, mein Kumpel, meine Stütze – das steht absolut fest.
Auch in diesem Moment, in denen ich diese Zeilen niederschreibe und mir nicht ganz wohl ist. Gerade in diesem Moment spüre ich wieder den Druck an meinen Beinen. Puzzel ist da und drückt sich an mich.
Danke alter Freund, für alles, was Du für mich getan hast und tust…

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