Müssen Hunde alles machen, was Menschen von ihnen verlangen? Klartext Hund "reloaded" Teil 1
In diesem BLOG gibt es Artikel, die mir persönlich wichtig sind, die aber
nicht so viel Beachtung finden wie andere. Darum möchte ich in gewissen
Abständen die Artikel, die mir besonders wichtig sind, die aber mehr Beachtung
finden könnten, erneut einstellen. Mit den Hunden, die alles machen müssen,
weil sie sonst ungehorsame Welteroberer werden, fange ich an J
Und wenn es noch so idiotisch ist. Muss der Hund alles
machen, was der Mensch von ihm verlangt?
Begebenheit vor einem Supermarkt. Ein größerer Mischling ist vor dem
Geschäft angebunden (was auch nicht gut ist, aber hier nicht das Thema). Da
kommt eine junge Frau vorbei. Sie schiebt einen Kinderwagen und führt
gleichzeitig einen jungen Beagle, nach meiner Einschätzung vielleicht um die
acht Monate alt. Als die Frau mit Kind und Beagle den angebundenen Hund
passiert, beginnt der angebundene Hund zu bellen und dem jungen Beagle offensiv
zu drohen. Darauf folgte ein sehr vernünftiges Verhalten des Beagle. Er wendete
den Blick vom großen Mischling ab und zog an seiner Leine in eine Richtung, die
von der Gefahrenquelle weg deutete. Wirklich ein sehr vernünftiges und logisch
nachvollziehbares Verhalten des kleinen Hundes. Aber, was machte die Frau? Sie
stoppte direkt vor dem angebundenen Mischling, brüllte ihrem Hund ein „SITZ“ um
die Ohren und ruckte, als der Hund sich trotzdem fortbewegen wollte, dermaßen
an der Leine, dass das Tier regelrecht durch die Gegend flog. Der Hund war so
verunsichert und verängstigt, dass er überhaupt keine Idee mehr hatte, wie er
mit der Situation umgehen sollte. Neben ihm der Hund, der ihm deutlich
mitteilte, dass er ihn mindestens „verprügeln“ werde, wenn er nicht weitergeht.
Er würde ja gerne weitergehen, was aber durch das Frauchen verhindert wurde,
die ihn mit groben Misshandlungen (man muss das an dieser Stelle im Klartext so
nennen) daran hinderte. Nun begann der verängstigte Beagle erst recht zu
ziehen, sein Ziel war nur wegzukommen, raus aus dieser Situation. Aber Frauchen
ruckte noch einmal und brüllte „SIIIITZ!“. Klar, natürlich ging ich sofort zu
der Frau und fragte sie höflich, warum Sie denn ihren Hund so behandele (ich
habe die Erfahrung gemacht, dass ich, wenn ich solche Menschen freundlich
anspreche, größere Chancen habe, dem Hund zu helfen. Würde ich sie so anbrüllen
wie sie ihren Hund, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit direkt „dicht“
machen). Ihre Antwort: „Das muss so sein, der muss in jeder Situation machen,
was ich von ihm verlange! Der darf nicht ziehen!“ Nachdem ich die Frau dazu
bewegen konnte, uns (vor allem den verstörten Beagle) aus der Sichtweite des
bellenden Mischlings zu bringen, versuchte ich ihr zu erläutern, was sie ihrem
Hund mit ihren Handlungen antat. Höflich und sachlich, wohlbemerkt. Aber meine
Ausführungen prallten an ihr ab. Ihre Hundetrainerin in ihrer Hundeschule hatte
ihr das so vermittelt und die Aussagen waren ihr heilig. Ich konnte die Frau
nicht erreichen. Sie war und ist der Meinung, dass ein Hund, vollkommen egal in
welcher Situation, das machen muss, was ein Mensch ihm sagt. Und ihn dazu
zwingen, wenn er „nicht hört“ – notfalls mit Leinenruck oder ähnlichem. Leider
musste ich Sie und den Hund ziehen lassen, ohne dem Tier helfen zu können…
Tödlicher Gehorsam
Diese unglaublich sture Haltung der
Frau, dass ihr Hund alles zu machen hätte, was sie von ihm verlangt, erinnerte
mich an einen Fall, der einer Kundin von mir vor einigen Jahren passiert war.
Diese war bis zu einem schicksalhaften Tag auch der Meinung, dass Hunde
menschlichen Anweisungen blind zu folgen hätten. Sie war zudem ein sehr
engagiertes Mitglied in einem Rassehundeverein und betrieb mit großem
Engagement divers Hundesportarten, die vernehmlich auf eben diesen
„Kadavergehorsam“ abzielten.
Es kam also so, dass diese Dame mit
Ihrem Hund vor Ihrer Haustür war und der Hund aus irgendeinem Grund die
Straßenseite wechselte. Die Besitzerin brüllte dann den Hund an, er solle zu
ihr kommen und nicht auf der anderen Straßenseite verweilen. Eigentlich war der
Hund so „erzogen“, dass er immer jedem „Befehl“ folgte. Er wurde so erzogen,
dass beim Nichtbefolgen eine unangenehme Konsequenz wartete. Doch diesmal
zögerte der Hund, wodurch das Frauchen ihren Blick wütend auf den Hund
konzentrierte und noch nachdrücklicher ein „HIER“ brüllte. Aus Angst vor der
gewohnten Züchtigung bei „Ungehorsam“ lief er los – direkt in das Auto, dessen
Herannahen er durchaus bemerkt hatte, Frauchen aber nicht. Er wurde vom
Fahrzeug erfasst und starb auf dem Weg zum Tierarzt…
Wie gesagt, diese Geschichte wurde mir
von einer Kundin erzählt, die seither ihre Ansichten zur Hundeerziehung
grundsätzlich geändert hat und sich immer noch Vorwürfe macht, dass der Hund
ein solches Ende fand. Man sollte dabei auch beachten, dass der Hund nicht nur
ein schreckliches Ende hatte, der Hund hatte zudem ein schreckliches Leben,
geprägt von Unterdrückung und Gewalt.
Diese Beispiele verdeutlichen eigentlich
recht klar, wie kurzsichtig es ist, von einem Hund absoluten Gehorsam in jeder
Situation zu verlangen. Der Beagle, der vorbildlich versucht, eine angespannte
Situation mit einem Artgenossen zu entspannen und der Hund, der es vorzieht,
vor ein Auto zu laufen, anstatt eine Anweisung seiner Diktatorin zu missachten.
Unterschätzte Intelligenz der Hunde
Für mich machen die geschilderten
Ereignisse deutlich, dass wir Menschen eigentlich sehr wenig über Hunde wissen
und ihre Intelligenz oft maßlos unterschätzen. Zum einen muss man an dieser
Stelle anmerken, dass Hunde keine reinen von Instinkten gesteuerten Roboter
sind. Es sind hochentwickelte Säugetiere die in der Lage sind für sich selbst
und auch für ihr Umfeld vernünftige Entscheidungen zu treffen. Hunde können
abstrakt denken, zwar nicht in dem Umfang wie Menschen (dafür haben sie andere
Gehirnleistungen, die wir nicht in dem Umfang beherrschen wie sie), aber sie
könne abstrakt vorausschauen und vorausplanen, im Bewusstsein der Konsequenz
ihrer folgenden Handlungen. Kurz gesagt, ein junger, normal entwickelter Beagle
ist nicht so blöd, sich ernsthaft mit einem stärkeren Hund auseinanderzusetzen.
Und kein Hund so blöd, bewusst vor ein Auto zu laufen. Es sei denn, ein blöder
Mensch zwingt ihn dazu.
Und für alle, die an dieser Stelle die
alten Argumente bringen, dass ein Hund, der nicht immer das macht, was von ihm
verlangt wird, sich zum Boss aufschwingen würde, zwei Hinweise. Hinweis 1: Wer
das sagt hat vielleicht eine Ahnung davon, wie man ein Lebewesen unterdrückt,
damit es ein Roboter wird. Er hat aber nicht den Hauch einer Ahnung vom
Hundeverhalten.
Hinweis 2: Hier wird das Thema noch
einmal ausführlicher behandelt: http://klartexthund.blogspot.com/2011/05/hundeerziehung-laut-bild-zeitung-bitte.html
Weil es in der deutschsprachigen
Hundeszene einfach so ist, dass viele Artikel und Aussagen pauschal zitiert und
interpretiert werden, möchte ich hier eines klar anmerken: Ich sage nicht, dass
Hunde nicht erzogen werden dürfen und machen sollen, was sie wollen . Natürlich
muss ein Hundehalter seinen Hund soweit unter Kontrolle haben, dass dieser
keine anderen Menschen, Hunde oder sonstige Lebewesen gefährdet oder belästigt.
Möglichkeiten wie man das macht, gibt es so viele wie Hunde – man muss das
immer individuell sehen.
Grenzen ja, Kadavergehorsam nein
Natürlich muss ein Hund Grenzen kennen
und man muss ihm auch ein Signal geben können, dass er eine Handlung abbricht.
Wenn man allerdings blinden Kadavergehorsam von einem Hund verlangt, wenn er
immer und in jeder Situation das tun muss, was man von ihm verlangt, ohne dass
er selbst denken darf, dann stimmt etwas nicht. Und wenn ein Mensch ernsthaft
glaubt, ein Hund würde die Welt dominieren und gefährlich werden, wenn er mal
nicht seinen Anweisungen folgt, dann sollte der Mensch ernsthaft überlegen, ob
er als Hundehalter geeignet ist.