Pauschales Gerede, Clicker usw.
Wenn
man sich in der heutigen Zeit zu irgendeinem Hundethema äußert, oder sich auch nur
mit Hunden draußen bewegt, ist man eigentlich immer im Fadenkreuz irgendwelcher
„Extremisten“. Die jede Handbewegung so oder so auslegen. Sage ich zum Hund,
der penetrant einen Artgenossen besteigt nur „hey, lass das mal!“, könnten
einige auf die Idee kommen, dass ich ein unverbesserlich brutaler Hardliner
bin. Stehe ich dagegen draußen mit einem Hund und einem Clicker werde ich
automatisch als „Guddiguddi Wattebausch“ beschimpft. Ich kenne tatsächlich
inzwischen Hundehalter, die gehen nur noch einsame Wege oder spät am Abend zum
Spaziergang hinaus. Nicht weil der Hund unverträglich wäre – nein, sie wollen
Ihre Ruhe vor Pauschalschwätzern.
Pauschale Gedanken weil man nicht mehr bis zum
Ende liest
Was
mich an der Pauschalschwätzerei so maßlos auf die Palme bringt, ist das
Pauschale an sich. Wenn es um Hunde geht gehen die Menschen ganz merkwürdig
miteinander rum. Rechthaberei ist zur Religion geworden und Pauschalitäten sind
die Waffen, mit den argumentiert wird. Ich möchte hier gleich einmal ein
kleines Beispiel bringen, welches meiner Meinung nach aufzeigt, dass man nicht
immer nur in pauschalen Rastern denken sollte. Aber weil es ja wie oben schon
erwähnt heute so üblich ist, dass jede Handlung und jedes Wort auf die
Goldwaage gelegt wird, muss ich eins vorab sagen. Man sollte schon bis zum Ende
lesen J
Ich
las nämlich kürzlich in einer psychologischen Fachzeitschrift für Menschen,
dass geschriebene Texte heute meist nur angelesen und überflogen werden, weil
viele von uns verlernt haben sich ernsthaft auf etwas zu konzentrieren. Das
soll laut der Fachzeitschrift damit zu tun haben, dass wir mit so vielen
Informationen und Reizen überschüttet werden, dass wir nur noch punktuelle
Dinge wahrnehmen können und wollen. Wenn man Dinge aber nur Teilweise
wahrnimmt, erklärt sich natürlich auch das Phänomen, dass wir mit
Pauschalitäten um uns werfen. Darum, dieser Text könnte gleich zu pauschalem
Erschrecken bei einigen Lesern führen – darum bitte ganz lesen J
Clicker?
Was
erschrecken könnte ist die Aussage, dass ich im Umgang mit Hunden nur sehr
selten den Clicker einsetze – und das, obwohl ich gern pauschal der
„Wattebauschfraktion“ (was immer das ist) zugerechnet werde. Wo ja angeblich
ständig geclickert wird…
Kurz
zur einfachen Erklärung, was ein Clicker ist. Eine einfache Erklärung, keine
pauschale. Auch hier wird oft sehr viel durcheinandergeworfen. Einfach ist eben
so, dass man etwas verständlich ausdrückt, ohne zu tief und zu verwirrend ins
Detail zu gehen. Pauschal liefert immer gleich ein Weltbild mit ;-)
Also,
der der Clicker wird beim Lernen als positiver Verstärker genutzt. Dem Hund
wird beigebracht, dass er immer, wenn er den Click hört, folgend eine Belohnung
bekommt. Es ist sozusagen das Versprechen auf die folgende Belohnung. So kann
ich eine von uns erwünschte Handlung des Hundes durch „click“ schnell
verstärken, schon dadurch belohnen. Das ist wichtig, weil der Hund seine
ausgeführte Handlung und die folgenden Konsequenz (hier Belohnung), nur in sehr
schneller Folge miteinander verknüpfen kann. Der Clicker ist letztlich nur ein
Hilfsmittel, damit ich schnell belohnen kann. Ein Kommunikationsmittel
sozusagen. Ich kann dem Hund damit schnell mitteilen, dass er etwas richtig
gemacht hat.
Mittel der Kommunikation
Ich
kann aber statt des Clickers auch ein Wort nutzen, welches dem Hund vermittelt,
dass er etwas richtig gemacht hat. Ich nutze also selten einen Clicker, ich bin
eher ein Freund von Sprache um zu kommunizieren. Und wenn mein Hund weiß, wenn
er gelernt hat, dass ein „Super“ bedeutet, dass er etwas richtig gemacht hat,
ist das Lernen eigentlich sehr einfach. Der Hund muss aber die Bedeutung des
Wortes kennen. Ich benutze zur Kommunikation also lieber Worte, das Prinzip ist
aber das Gleiche wie beim Clicker. Ich möchte jetzt nicht umständlich von
Markersignalen und Markerwörtern reden. Alles Dinge, die fachlich korrekt sind,
den normalen Hundehalter aber langsam in den Wahnsinn treiben. Warum sagen wir
nicht einfach, dass wir mit einem Wort dem Hund sagen können, wenn er etwas
richtig gemacht hat? Also, ich benutze lieber die Sprache und Wörter, die ich
immer bei mir habe und die ein Hund auch versteht, um mit einem Hund zu
kommunizieren. Den Clicker nutze ich aber auch – immer dann, wenn der
Hundehalter vielleicht dazu neigt zu schnell und zu viel zu reden, oder wenn
andere Umstände einen Einsatz meines Erachtens sinnvoll machen. Das ist ganz
individuell und situativ. Der Clicker ist also ein Kommunikationsmittel, ein
Werkzeug, welches man in vielen Situationen nutzen kann. Aber nicht muss. Jeder
muss halt seinen eigenen Weg finden, wie er mit seinem Hund kommuniziert.
Pauschale Sicht auf den Clicker ist
kurzsichtig
Ganz
weg von diesem Kommunikationsmittel Clicker, den ich persönlich eher selten
nutze, ihn aber als Werkzeug in speziellen Situationen schätze. Ich wende das gleiche Prinzip lieber über die Sprache an.
Wenn
man den aber Clicker pauschal sieht, macht man einen groben Fehler. Er kann
auch andere Dinge, als richtiges Verhalten zu verstärken. Kürzlich hatte ich
folgenden Kundenfall:
„Ich
schelle an der Tür einer neuen Kundin. Ein Hund bellt. Die Kundin öffnet die
Tür und ich werde hineingebeten und in die Küche geführt. Der Hund läuft in
einen anderen Raum – in das Wohnzimmer
auf der gegenüberliegenden Seite des Hausflurs. Wie ich über einen Spiegel im
Flur beobachten kann, begibt er sich hinter eine Couch in der äußersten Ecke
des Zimmers. Kurz gesagt, so weit weg von mir wie eben möglich. Aber er bellt
dabei und wagt sich, nachdem einige Zeit vergangen ist, hinter dem Sofa hervor
und bellt dabei unaufhörlich – verschwindet aber blitzschnell wieder in seinem
Versteck sobald ich nur einen Finger bewege. Der Hund hat Angst, pure Angst.
Sein gesamtes Stresssystem im Körper ist in Alarmstellung, in hoher Erregung,
Anspannung. Um diese Erregung und Anspannung zu kompensieren und zu
kanalisieren bellt der Hund. Er bellt auch, um dem Eindringling auf Abstand zu
halten oder besser noch – zu vertreiben. Was ihm dadurch wohl auch schon
mehrfach gelungen ist, weil Besuch sich bei dem Lärmpegel durchaus schnell
verabschiedet. Das gesamte Verhalten ist eine Mischung aus angeborener
Stressbewältigung und erlernten Strategien.“
Gequältes Tier mit schrecklicher Vergangenheit
Der
Hund wurde von amtlicher Seite seinem Vorbesitzer weggenommen. Dieser hatte ihn
nachweislich geschlagen, und auch Besucher durften sich an ihm auslassen – auch
diese haben ihn getreten und geschlagen, wenn er bellte oder die Besucher
irgendwie schief anschaute. Alles in einem alkoholgetränkten Umfeld und Milieu.
Der Hund war somit zutiefst verängstigt und traumatisiert. Ungefähr 6 Jahre
hatte er so gelebt.
Schlechte Gefühle bekämpfen
Endlich
hatte er jetzt Glück gehabt und war zu den neuen Besitzern vermittelt worden.
Sehr nette Menschen, die allerdings mit dem verängstigten Hund überfordert
waren. Immer, wenn Besuch kam bellte der Hund wie vorher beschrieben und versuchte
gleichzeitig, sich in die äußersten Ecken des Hauses in Sicherheit zu bringen.
Ich konnte dem Hund relativ schnell helfen. Und zwar mit dem Clicker, den ich,
wie gesagt, sonst eher selten anwende. Wie? Nun, wenn ich einem Hund beibringe,
dass auf den Click immer etwas Positives folgt, werden im Hundekörper Hormone
frei gesetzt, die ihm ein gutes Gefühl bescheren.
Besuch
löste bei ihm immer ein schlechtes Gefühl aus, was ihm in den letzten Jahren im
wahrsten Sinne eingeprügelt worden ist. Wir mussten ihm dieses schlechte Gefühl
nehmen, diese Furcht vor Menschen. Und schlechte Gefühle bekämpft man
hervorragend durch gute Gefühle. Wir haben jetzt also, wenn Besuch kam, den Clicker
betätigt (nachdem dem Hund vorher in Ruhe beigebracht wurde, was es bedeutet,
damit es die guten Gefühle auslöst). Auch, oder gerade, wenn der Hund bellte.
Viele werden jetzt sagen, dass man so das Verhalten, das Bellen ja verstärkt.
Aber das passierte nicht – weil das gezeigte Verhalten letztlich ja nur eine
Bewältigungsstrategie des schlechten Gefühls war. Der Click löste andere
Gefühle aus, die zum Verdrängen der schlechten Gefühle führten und so auch die
Bewältigungsstrategie des Bellens überflüssig machten. Und das führte zu einem
solchen Moment, warum ich meinen Job mache. Warum der Job oft gute Gefühle bei
mir auslöst: Bei meinem zweiten Besuch bereits, war der vormals völlig
verängstige Hund bereit, sich mir anzunähern und sich sogar ruhig zwischen mich
und Frauchen zu legen. Beim dritten Besuch schlief er in der gleichen Situation
ein...
Übrigens
– sicher hätte man auch hier mit einem Wort arbeiten können. In den auch für
den Menschen stressigen Situationen ist der Clicker aber schlicht ein immer
gleichklingend neutrales Signal, welches zuverlässig die guten Gefühle auslöst.
Für „Pauschaldenker“ ein ungewöhnlicher
Clickereinsatz
Für
alle, die einen Clickereinsatz als „Wattebauschgutzigutzi“ oder Dressur abtun,
mag dieser spezielle Einsatz merkwürdig sein. Das ist mir persönlich völlig
egal. Dem Hund konnte geholfen werden – das ist alles, was für mich zählt.
Das
ist nur ein Beispiel, wie man das Werkzeug Clicker nutzen kann. Das heißt jetzt
nicht, dass man bei traumatisierten Hunden pauschal den Clicker einsetzen
sollte. Er kann helfen, der Umgang sollte Hundehaltern aber von jemandem
gezeigt werden, der sich damit auskennt. Und er sollte individuell und situativ
eingesetzt werden. Nicht pauschal…
Trotz gegen Pauschalitäten. Nette Menschen
solidarisieren sich plötzlich mit echten Extremisten
Ich
finde, man sollte bei Pauschalitäten immer Vorsichtig sein. Derjenige, der
pauschal alle Wattebäusche verteufelt, genauso wie derjenige, der ein „lass es“
gleich als Tierquälerei bezeichnet. Diese pauschalen „Verurteilungen“ führen
meines Erachtens nur zu Mauern, die nicht sein müssen – und treiben oft
Menschen, die eigentlich vernünftig und nett sind, zu einer Solidarität mit
echten „Hardlinern“. Solchen, die auch keinen Hehl daraus machen, Hunde zu
treten oder anders zu misshandeln. Weil das in ihrem Weltbild „eben so ist“.
Und wenn man eigentlich nette Menschen schon dafür pauschal verurteilt, nur
weil sie mal „nein“ zu ihrem Hund sagen, argumentieren diese, auch aus Trotz,
gerne in Internetdiskussionen mal neben eben diesen echt harten Zeitgenossen.
Ein Ergebnis von Pauschalität und Intoleranz. Einfach alles mal individuell
sehen, nicht alles gleich über einen Kamm scheren und nicht sich und seine
Ansichten zu wichtig nehmen. Könnte zu viel Entspannung führen…
Echte Schweinereien auch mal den Behörden
melden
Was
natürlich nicht heißt, dass man jede Schweinerei in der Hundeerziehung
hinnehmen sollte. Wenn Menschen beim Umgang mit Hunden Grenzen und Gesetze
überschreiten, kann und sollte man dies auch den zuständigen Behörden melden.
Denn extreme Menschen und Ansichten gibt es nun einmal, überall wo Menschen sind. Daran helfen auch
endlose Internetdiskussionen nichts. Das ist einfach so. Wenn man aber mal die
Behörden einschaltet, kann das letztlich dazu führen, dass ein armer Hund, wie im
Beispielfall aus meiner Praxis, zu guten Leuten kommt. Und mit dem Clicker lernt,
dass es ein gutes Leben geben kann. Ganz individuell…