Gute Rudelführer schnüffeln auch am Hintern
Wie sagt ein Berliner Witzbold immer? Kein Scherz…
Genau das muss ich auch sagen, wenn ich von der
folgenden Geschichte berichte. Ein Kunde rief mich an, schilderte mir, ohne
dass ich zumindest „guten Tag“ sagen konnte, direkt das „Problem“ mit seinem
Hund. In seinen Augen sei dieser zu dominant, würde die Rangordnungen nicht
akzeptieren usw. Im weiteren Gespräch, bzw. in seinem weiteren Monolog konnte
ich genau heraushören, dass der Hundehalter ein glühender Fan einer aus dem TV
bekannten Rudelführertheorie war. Seiner Ansicht nach musste der Hund genau wissen,
wer das Sagen hat, weil er sonst ein gemeingefährliches Monster würde.
Übrigens, der Hund war ein Beagle…
Auf jeden Fall hatte er alle möglichen Tipps und
Ratschläge von Hundeschulen und auch seinem TV-Idol umgesetzt, um der
Rudelführer zu werden. Hund durfte nicht als erster durch die Tür, wenn Hund
eine Sekunde zu lang selbstständig an einer Ecke schnüffelte wurde er
„korrigiert“ usw. All das Zeug, was immer noch durch viele Köpfe geistert.
Trotzdem „funktionierte“ der Hund nicht. „Im Gegenteil“, sagte der Kunde, „er
wird immer dominanter und beginnt zu knurren, wenn ich ihn anfassen möchte“…
Ich hätte ihm jetzt einen Vortrag halten können,
warum es im Prinzip logisch war, dass sein Hund ihn anknurrte. Vereinbarte aber
einen Termin bei Ihm, um mir auch in Ruhe überlegen zu können, wie ich diese
fast schon religiös anmutenden Rudelführergedanken im Kopf des Halters
zumindest etwas ins Wanken bringen könnte. Ich entschloss mich, diese Gedanken
gar nicht zu bekämpfen, sondern zu bestätigen – bis ins Absurde.
So ging ich gut vorbereitet zu dem Kundentermin.
Dabei hatte ich meinen Stoffhund Karl-Otto, der sonst bei Seminaren etc. immer für
die Stachelhalsbanddemo herhalten muss. Beim Hundehalter und seinem Beagle
daheim hörte ich mir erneut die Theorien zur angeblich gestörten Hierarchie in
Ruhe an. Der Mann dachte nicht im Entferntesten daran, dass der Hund aus reinem
Selbstschutz knurrte, weil Herrchen ihn immer mit unangenehmem Unfug
konfrontierte, wenn er sich näherte.
„Was können wir denn jetzt gegen diese ausufernde
Dominanz meines Hundes unternehmen?“ Fragte schließlich der verhinderte
Rudelführer.
„Nun“, sagte ich, „Sie haben ja schon alle
relevanten Rudelführermethoden angewendet. Aber eine, die Wichtigste, haben Sie
anscheinend vergessen oder es hat Ihnen noch niemand gesagt oder im TV
vorgeführt. Aber sicher haben sie es schon häufig gesehen, wie Hunde das
untereinander machen. Das Schnüffeln am Hintern. Das ist ein ganz wichtiges
Dominanzmerkmal – und zwar nicht das Schnüffeln an sich, sondern wie man es
macht.“
Der Hundebesitzer schaute mich mit großen Augen
an, um zu wissen, wie man richtig und dominant am Hintern schnüffelt. Jetzt kam
Stoffhund Karl-Otto zum Einsatz. Ich hatte ihm mit einem Edding einen Anus auf
das Stofffell gemalt und instruierte den Hundebesitzer nun, das Schnüffeln in
einer Spiralbewegung von außen nach innen durchzuführen – was er erst einmal an
Karl-Otto üben solle, bevor er es bei seinem echten Hund umsetzt. Und – kein
Scherz! Er nahm sich Karl-Otto und befolgte meine Anweisung – er wollte doch
ein guter, ein perfekter Rudelführer sein. Und wenn Hunde das untereinander
doch auch machen…
Als er dann sagte, das ist nicht so schwer, ich
mache gleich bei meinem echten Hund weiter wurde mir etwas mulmig. Ich hielt
ihn ab und klärte auf, dass ich ihn vorgeführt hatte, um ihm diese angeblichen
Rudelführermethoden einmal drastisch vor Augen zu führen. Nach einem klärenden
Gespräch über Hunde an sich und zwei weiteren Terminen, bei dem ich ihm gezeigt
hatte, wie das Zusammenleben zwischen Mensch und Hund auch funktionieren kann,
habe ich jetzt keinen Kontakt mehr zum Kunden. Zumindest nach den zwei Gesprächen und dem drastischen "vor Augen führen" schien beim Hundehalter mehr angekommen zu sein als beim einfachen "predigen". Allerdings ist der Rudel-Macho-Weltherrschaftsgedanke bei ihm sehr tief verankert. Zumindest ein wenig mehr Verständnis für seinen Hund konnte ich entfachen, da bin ich sicher. Das ist manchmal das beste, was man für einen Hund herausholen kann.
Es war aber insgesamt schon eine besondere Kundenbegegnung –
Wenn ein erwachsener Mensch einem Stoffhund an der mit einem Edding aufgemalten
Poperze schnüffelt. Nur um ein guter Rudelführer zu sein ;-)
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