Aggressive Hunde: Dominanz oder Arthrose?
Wenn man tatsächlich mit Menschen und ihren Hunden
arbeitet, sammeln sich automatisch Daten an, die den Erfahrungsschatz
vergrößern und die man durchaus statistisch verwenden kann – die aber auch
Augen und Horizonte öffnen können. So habe ich einmal die Daten
zusammengestellt, die mir oft im Zusammenhang mit Hunden und Aggressionen
begegnen. Die Fälle, die ich ausgewertet habe, stellten sich folgendermaßen
dar: Es ging um Hunde, die aggressives Verhalten (statistisch hier inklusive
Drohverhalten wie knurren, obwohl fachlich nicht korrekt als Aggression
anzusehen)gegen den Besitzer und Menschen zeigten. Da ich bei einem solchen
Verhalten immer zuerst den Tierarztbesuch empfehle, ergeben sich bei Hunden mit
dem benannten Verhalten folgende statistische Daten: Hunde, die bei mir
vorgestellt wurden und aggressives Verhalten zeigten (wie vorher beschrieben
und dem Tierarzt vorgestellt wurden), hatten zu 63 % (!) gesundheitliche
Probleme. Es handelte sich dort in erster Linie um Erkrankungen des
Bewegungsapparates wie ED, HD oder diverse Arthrosen und Rückenprobleme. Aber
auch schmerzhafte Ekzeme der Haut sowie organische Erkrankungen, die den Körper
belasten und somit die Reizschwelle heruntersetzen, traten im Zusammenhang mit
aggressivem Verhalten auf.
Dies sind zwar keine wissenschaftlichen Daten,
sondern reine Statistiken meiner Arbeit. Allerdings zeigen für mich diese Daten
auf, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und schmerzhaften,
bzw. belastenden Erkrankungen oder Verletzungen besteht. Eigentlich keine
Sensation – ist bei Menschen ja nicht anders. Nur bei Hunden wird das meiner
Meinung nach nicht genug beachtet. Noch schlimmer ist innerhalb dieser
Statistik, dass von diesen 63 % der Hunde mit Erkrankungen, vor meinem Hinweis
nur ca. ein Drittel schon einmal beim Tierarzt vorgestellt wurde. Die anderen
zwei Drittel wurden aber direkt trainiert und dabei mehrheitlich wegen
vermeintlicher Dominanzprobleme. Was heißt, Hunde mit Schmerzen, die einfach
nur in Ruhe gelassen werden möchten, wurden von irgendwelchen rudelführenden
Deppen noch mit Leinenruck, Rappelbüchsen, Nierenzwickern oder ähnlichem Unfug
behandelt, um ihnen die Dominanz auszutreiben und ihnen zu zeigen, wer der Boss
ist. Zwei Drittel der nachgewiesen durch Krankheit aggressiven Hunde, wurden
unterdrückt und aversiv behandelt…
Mir sind diese Erfahrungswerte natürlich bekannt –
es ist aber erstaunlich, dass die Erfahrungswerte in Prozentzahlen ausgedrückt
auch auf mich einen noch größeren Eindruck machen. Darum möchte ich die Zahlen
hier veröffentlichen, damit vielleicht einige Hundehalter, die ein
vermeintliches Aggressionsproblem haben, auch mal andere Möglichkeiten für das
Verhalten in Betracht ziehen, als dieses überflüssige Dominanz- und
Rudelführergerede.
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