Wolfsinterview…
Unsere heimische Lippstädter Tageszeitung hat mich
um ein Interview zur Rückkehr der Wölfe gebeten. Das habe ich gern gegeben,
weil sachliche Informationen wichtig sind.
Hier das Interview:
„Mensch gehört nicht zum Beuteschema des Wolfs“
ANRÖCHTE - Angst vorm bösen Wolf? Der Wolf ist zurück in
Deutschland und breitet sich weiter aus. Der Anröchter Hundepsychologe Thomas
Riepe hat als Fachautor bei Recherchetätigkeiten schon viel mit freilebenden
Wölfen zu tun gehabt. Wir haben ihm einige Fragen gestellt, wie man mit der
möglichen Ankunft des Wolfes in der heimischen Region umgehen sollte. So wurde
auch Thomas Riepe bereits von einigen verunsicherten Mitbürgerinnen und -
bürgern aus Anröchte und Umgebung auf das Thema Wölfe angesprochen. Anlass für
die Redaktion, den Experten zu hören.
Werden sich die Wölfe auch bei uns ansiedeln?
Thomas Riepe: Sicher werden wir es früher oder später mit
durchwandernden Wölfen zu tun haben. Ob die Tiere längerfristig im Kreis
anzutreffen sein werden, bleibt abzuwarten.
Wölfe in unserer Kulturlandschaft?
Riepe: Das stellt für Wölfe kein Problem dar. Sie benötigen
keine Wildnis, um zu existieren. Sie brauchen Nahrung und ruhige
Rückzugsgebiete. Der ausgedehnte Arnsberger Wald bietet sicher genügend
Rückzugsmöglichkeiten für eine Wolfsfamilie. Auf der Nahrungssuche können die
Wölfe dann aber auch in dichter besiedeltem Gebiet zu sehen sein. Das ist
vollkommen normal, Wölfe meiden zwar die direkte Begegnung mit Menschen. Was
aber nicht heißt, dass sie nicht im menschlichen Umfeld vorkommen. Füchse, Rehe
etc. leben ja auch in unserer Umgebung.
Können sie Beutetiere ausrotten?
Riepe: Das ist unmöglich. In Mitteleuropa sind Wolfreviere
um die 300 km² groß. Innerhalb eines Reviers lebt nur eine Familie, ein so
genanntes Rudel. Das Rudel besteht immer nur aus den Eltern und eigenen
Jungtieren. Man sieht selten Rudel, die mehr als 7 bis 8 Individuen umfassen.
Und da die Reviere streng gegen andere Wölfe verteidigt werden, leben nur diese
Wölfe auf 300 km². 7 bis 8 Wölfe in einem so großen Gebiet können ihre Nahrung
- Rehe, Wildschweine, Hasen und Mäuse, nicht ausrotten. Die Natur verhindert
das durch das angeborene Revierverhalten. Falls durch Umwelteinflüsse oder
menschliche Eingriffe die Beutetierpopulation einmal kleiner wird, verkleinern
sich auch die Wolfrudel. Die Jungtiere werden z. B. früher aus der Familie
verjagt. Alles in allem ein ausgeklügeltes, faszinierendes System der Natur.
Welches auch in unserer Kulturlandschaft funktioniert, weil wir sehr viele
Rehe, Wildschweine und auch Mäuse haben.
Sind die Wölfe für uns Menschen eigentlich gefährlich?
Riepe: Nein. Der Mensch gehört nicht zum Beuteschema von
Wölfen. Schon Wolfswelpen werden auf bestimmte Beutetiere geprägt. Wozu der
Mensch nicht gehört. Im Gegenteil, Wolfswelpen machen es ihren Eltern nach und
gehen einer direkten Konfrontation aus dem Weg. Sie flüchten zwar nicht in
Panik, wenn sie einem Menschen begegnen. Aber ein gesunder Wolf, der auch nicht
angefüttert wurde, geht einem Menschen aus dem Weg. Anders sieht es bei Tollwut
aus. Die Krankheit kann durchaus zu Unfällen mit Wölfen führen. Aber die ist
durch Impfmaßnahmen in Deutschland ausgerottet.
Was ist mit der Gefahr für Nutztiere?
Riepe: Schafe sind tatsächlich gefährdet, weil sie eine
leichte Beute sind. Allerdings gibt es wirkungsvolle Schutzmaßnahmen wie
Elektrozäune oder auch Herdenschutzhunde. Es gibt dafür auch Hilfs- und
Entschädigungsprogramme des Landes. Dennoch sind die Schäfer sicher diejenigen,
denen die Rückkehr des Wolfes Unannehmlichkeiten beschert. Alle anderen können
sich entspannen. Dass Wölfe kräftige Nutztiere wie Pferde oder Kühe reißen, ist
eine absolute Ausnahme. Es gibt so viel „leichte“ Beute, wie eben Rehe usw. in
unserer Region, dass ein Wolf nicht das Risiko eingeht, von einem starken Rind
oder Pferd verletzt zu werden. Ein verletzter Wolf ist in der Natur dem Tod
geweiht, weil er nicht jagen kann.
Was ist mit Hunden?
Riepe: Wenn ein Hund in der Nähe seiner Besitzer ist, ist er
sicher. Wie gesagt, der Wolf meidet den Menschen. Streunende Hunde in Wald und
Feld sind gefährdet, weil sie von Wölfen als Artgenossen angesehen werden. Als
Konkurrenten um Beute, die vertrieben werden. Aber dass Hunde frei im Wald
streunen, sollten die Besitzer aus diversen Gründen ja sowieso verhindern. Und
freilaufende Hunde beim Gassigang sollten in jeder Situation herangerufen
werden können.
Wie verhalte ich mich, wenn mir doch mal ein Wolf begegnet?
Riepe: Nicht hektisch werden. Denn sonst könnten Sie das
Tier zu schnell vertreiben. Bleiben sie ruhig und genießen Sie den Moment.
Falls Sie sich dennoch unwohl fühlen sollten, gehen Sie einfach weiter Ihres
Weges. Der Wolf wird genau das Gleiche machen. Mir selbst sind in Nordamerika
viele Wölfe begegnet - einige bis auf wenige Meter. Meine einzige Angst dabei
war jedes Mal, dass der Moment zu schnell vergeht… !